Die 3 Rollinger Gesangvereine

 

Bergmannsgesangverein & Société Chorale & Chorale Sainte Cécile


Liebe Leser

Ich habe alles erdenkliche versucht um das wirre Durcheinander der Rollinger Gesangvereine zu lösen. Ich habe es, genau wie auch Klein René, nach einer gewissen Zeit aufgegeben da viele Angaben nicht dokumentiert sind und somit kopiere ich hier einfach die Texte/Recherchen von René, welche er in der Gesangvereinsbroschüre von 1994 geschrieben hat, hinein, und bringe einige neue Erkenntnisse dazu sowie auch einige Illustrationen.

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Die Anfänge des Rollinger Gesangs liegen, nach über hundert Jahren, noch vielfach im dunkeln. Das Ver­einsarchiv der Société Chorale reicht nur bis zum Jahre 1950. Aus der Zeit vorher ist einzig ein Kassenbuch erhalten geblieben, welches am 1. Oktober 1921 begonnen wurde.

 

Aufschlussreich ist eine kleine Vereinschronik in der Festbroschüre der Fahnenweihe von 1933. Die beiden Festbroschüren von 1950 und 1975 wiederholen das bereits Bekannte. Beim Lesen dieser Chronik stellt sich jedoch heraus, dass der anonyme Verfasser die Vereinsgeschichte aus der Sicht der Cäcilia schrieb und über den andern Gesangverein, den Bergmanns-Gesangverein, keine Angaben machte.

 

Das heisse Eisen der Fusion von 1919 wird sehr behutsam angefasst: die Hintergründe werden gänzlich verschwiegen. Der unbekannte Verfasser des pathetischen Artikels «Der Fahne zum Geleit» verlegt sogar die Gründung der Chorale (gemeint dürfte allerdings die Cäcilia sein in das Jahr 1900. Diese Auffassung wurde bis kürzlich im Verein geteilt, und so wurden 1950 und 1975 die 50- und 75- jährigen Stiftungsfeste gefeiert.

 

 

Die im Staatsarchiv erschlossenen, leider unvollständigen Quellen, lassen eine andere Wirklichkeit erahnen und die Anfänge der Rollinger Gesangvereine viel unromantischer erscheinen.

Im Vorfeld der Gründung

Nach der Chronik von 1933 wurden im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts unter Altlehrer Linden Jean, der auch als Archäologe sich einen Namen gemacht hat, weltliche und kirchliche Lieder fleissig geübt.

 

Die Rollinger Sänger werden zum ersten Mal in einer Vorschrift des Kirchenrats erwähnt, welcher dieser am Juli 1869 erliess:

 

 

Von heute ab ist es den Weiber verboten die neue errichtete Emporkirche zu Lamadelaine zu betreten. Mannspersonen dürfen dieselbe nur unter der Bedingung während des Gottesdienstes benutzen, wenn sie 25 Jahre alt sind, und voraus dem Einnehmer der Kirchenfabrik von daselbst jährlich die Summe von zehn Franken entrichten haben. An den Festtagen steht es dem Pfarrer von Lamadelaine zu, die Chorsänger dieselbe betreten zu dürfen. Wer diese Vorschrift Übertritt wird gerichtlich verfolgt werde.“

Linden Jean
Linden Jean

Daraus darf man wohl schliessen, dass es den Gläubigen damals auf der Empore an der nötigen Andacht während der Messe fehlte. Die Schuld daran schob der Kirchenrat den Frauen und den jungen Burschen zu, welche dann auch prompt von der Empore verbannt wurden. Des weiteren wurden die Stühle für 10 Franken verpachtet. Die Sängergruppe, hier als Chorsänger bezeichnet, dürfte im Kirchenchor Platz gefunden haben. Der Küster-Sänger hatte vor- oder mitzusingen und musste daher den Gesangsproben beiwohnen. An den Festtagen war wohl der Kirchenchor zu klein (bestimmt wegen der zahlreicheren Messdiener), so dass der Pfarrer seine Sänger lieber auf der Empore aufstellen wollte.

 

Auch wenn die Kirchensänger eine geschlossene Gruppe bildeten, so dürften sie kaum zu einem Verein mit Sta­tuten zusammengeschlossen gewesen sein.

 

Am 25. Juni 1871 beschloss der Kirchenrat ein Harmonium anzuschaffen. Da das Instrument etwa 1300 Franken kostete und die Kasse leer war, wollte man das Geld von der Gemeinde erbitten. Geschah dieser An­kauf etwa auf Betreiben des neuen Lehrers Jean LINDEN aus Ehnen, welcher am 5. Oktober 1870 ernannt worden war? War er der erste Organist? Fragen, auf die das Deliberationsregister des Kirchenrats keine Antwort gibt.

 

Das Harmonium wurde auf der Empore aufgestellt, und die Sänger gruppierten sich rundherum. Doch schon bald sollte es zum Streit zwischen dem Organisten und dem Kirchenrat kommen. Letzterer wollte das Gehalt des Organisten auf 50 Franken pro Jahr herabsetzen. In der Sitzung vom 1. Sonntag im April 1878 kam es zur Kampfabstimmung. Fünf Mitglieder (THILL, BOSSELER, LIPPERT, BIVER, HEUSCHLING) waren für die Reduzierung, einer (MENDELS) stimmte dagegen. Pfarrer FELTES enthielt sich der Stimme. Als Gründe für diese Massnahme wurden die Notwendigkeit, Ersparnisse zu machen, und der Umstand, dass die Organisten der Nachbarpfarreien nicht mehr bekämen, angeführt. Der Pfarrer als Verfasser des Berichtes gibt jedoch den wahren Grund an: man wollte den Organisten ganz einfach loswerden.

 

Doch die Affäre war noch nicht ausgestanden. In seiner Sitzung vom 4. Januar 1880 beschloss der Kirchenrat, die Empore für die Sänger zu schliessen, da sie durch ihr Verhalten allerlei Unordnung hervorgerufen und sich voller Trotz der gesetzlichen Ordnung der Kirche widersetzt hatten. Dadurch fiel auch das Harmoniumspiel aus. Gleichzeitig wurde dem Organisten für das kommende Jahr das Gehalt verweigert.

 

Dem Pfarrer gefiel jedoch die Stille in den Sonntagsmessen nicht. Und so schlug er in der Aprilsitzung 1880 vor, das Harmonium wieder spielen zu lassen. Die Mitglieder des Kirchenrats wollten sich nicht stur stellen (obschon ihnen der Vorschlag gar nicht gefiel), wenn dem Organisten kein Geld gezahlt würde.

 

Wie und wann schliesslich der Zwist beigelegt wurde, ist nicht überliefert. Die Ursache dieses Streits war viel­leicht die Tatsache, dass, wie die Vereinschronik berichtet, unter der tatkräftigen Leitung von Lehrer LINDEN Jean nicht nur kirchliche, sondern auch weltliche Lieder einstudiert wurden. Es wundert daher nicht, dass nach und nach die Idee aufkam (genau wie in den Nachbarortschaften), einen Gesangverein mit Statuten zu gründen.

 

Der Gesangverein

Im Jahre 1889 wurde nun ein Männer-Gesangverein gegründet, deren erster Präsident der mehr als neunzigjährig verstorbene Herr J.P. Tockert war. Als Dirigent fungierte zuerst Herr Bettinger aus Grevenmacher, dann der frühere Stationsvorsteher in Fond de Gras, Herr Thommes (Chronik 1933). Das genaue Gründungsdatum wird leider nicht überliefert. Des weiteren fehlen Angaben über den Vorstand und die Gründungsmitglieder.

 

Auf der Liste der Musik- und Gesangvereine der Gemeinde Petingen, welche Bürgermeister Franz THILL aus Rollingen am 26. Oktober 1889 für den Distriktskommissar anfertigte zwecks Erhalt eines staatlichen Subsides, figuriert auch der Rollinger Gesangverein:

 

 société de chant de Lamadelaine, n’existe que depuis le mois d’août dernier

a) 25 membres exécutants

b) dépenses approximatives par an, frs 300,00

c) ressources: cotisations des membres honoraires et exécutants honoraires peuvent être évalués à frs 120,00

 

 

N’a pas encore eu de subsides.

 

 

Doch in seiner Sitzung vom Juli 1889 hatte der Petinger Gemeinderat beschlossen, der société de musique La­madelaine (gemeint kann nur der Gesangverein sein, denn eine Musikgesellschaft wird nie in den Gemeinde­listen der nachfolgenden Jahre erwähnt!) einen Saal in der Rollinger Knabenschule für die Proben zur Ver­fügung zu stellen. Der Verein musste allerdings für eventuell entstandene Schäden haften und den Saal nach den Proben säubern.

Was nun die Tätigkeit des Rollinger Gesangvereins anbelangt, so verbleiben uns lediglich zwei Zeugen: eine Ge­denkmedaille und ein Programmblatt. Die Gedenkmedaille wurde von der Union Dramatique der Stadt Luxem­burg an die Gesellschaften verliehen, welche am 25. und 26. Mai 1890 an ihrem concours-festival teilgenom­men hatten.

 

Ein glücklicher Fund war des weiteren ein Programmblatt für eine Konzert- und Theaterdarbietung zugunsten des Wohltätigkeitsbüros der Gemeinde Petingen. Die Veranstaltung fand am Sonntag, den 14. September 1890 um 14.30 Uhr im Rodinger Waisenhaus statt. 

 

Es wirkten mit die Gesangvereine von Rollingen und Rodingen sowie die Musikgesellschaft von Rodingen. Ein Sitzplatz 1. Klasse kostete 1 Franken; für die 2. Klasse wurde 0,75 Franken bezahlt. Unter den alten Partituren der Société Chorale befindet sich das Lied «Die drei Zigeuner», welches auf dem Programmblatt von 1890 stand. Am 13. September hatte der Gemeinderat die Erlaubnis erteilt, die Eintrittskarten für das Konzert zu Hause aufzubewahren. Diese Erlaubnis war vom Rollinger Dirigenten Guillaume BETTINGER, wohnhaft in Rodingen, im Namen der drei Gesellschaften erbeten worden.


Im Jahre 1895 konnte der junge Verein seine erste Fahne einweihen. Doch weder der Chronist von 1933 noch der unbekannte Verfasser des Artikels «Der neuen Fahne zum Geleit» erwähnten diese Festlichkeit. Ob damals wohl der Chor das Fahnenlied sang, welches Dirigent BETTINGER bereits am 28. August 1889 komponiert hatte?

 

Was nun die Präsidenten des Rollinger Gesangvereins anbelangt, so kennen wir den in der Chronik genannten ersten Vorsteher J.P. TOCKERT. Wie lange er diesen Posten bekleidete, ist nicht überliefert. Vor 1900 war er jedenfalls von Dominique SCHILTZ (In Rollingen gab es 2 Dominique Schiltz welche aber nicht verwandt waren. Der hier genannte war Ackerer) abgelöst worden.

 

Erster Leiter des jungen Vereins war Guillaume BETTINGER. Er stammte laut Chronik aus Grevenmacher, wohnte jedoch in Rodingen. Wie lange er den Chor dirigierte, ist nicht bekannt. Ihm folgte der frühere Bahn­hofsvorsteher von Fond-de-Gras THOMMES. Von 1893 - 1896 war dieser Dirigent der Rodinger Eintracht gewesen. Laut Kirchenratsbericht aus dem Jahre 1903 war er vormals Organist in Rollingen gewesen. Im Januar 1900 war er nicht mehr Rollinger Chorleiter.

 

Die Zahl der Sänger hatte sich nach der Gründung (28 Aktive) rundum 22 eingependelt. Der Verein lebte von den Beiträgen der Ehrenmitglieder und der Sänger. Hinzu kam ein staatliches Subsid von 25 Franken sowie die Einnahmen von Konzerten. Hauptausgaben waren das Gehalt des Dirigenten und der Kauf von Gesangpartituren.

Erste Spaltung: die Gründung der Cäcilia

Die Gründung der eigentlichen «Cäcilia» fällt ins Jahr 1899. Zum Präsidenten wurde Herr Ch. Thill gewählt. Erster Dirigent war Herr Schrantz aus Niederkorn (Chronik 1933).

 

Die Chronik wird bestätigt durch die am 17. Januar 1900 vom Bürgermeister der Gemeinde Petingen aufgestellte Liste der Gesang-und Musikvereine.

 

à Lamadelaine 2 sociétés de chant, dont

 

1° ancienne société de chant de Lamadelaine

Dominique Schütz, President Mel Kalté, professeur de chant 25 membres exécutants et huit membres honoraires

Les recettes consistent en: subside de l’Etat en 1899               25,00

cotisations des membres                                                            348,00

        Total      373,00

 

Dépenses:

Indemnité au professeur                 12 x 30 frs                        360,00

pour acquisition de musique, éclairage etc.                             70,00

        Total    430,00

 

2° Nouvelle société de chant de Lamadelaine dite «Cacilia» (nouvellement créée)

Charles Thill, président Nicolas Schrantz, directeur 30 membres exécutants, et 45 membres honoraires

 

Les recettes consistent en: cotisations des membres honoraires et exécutants

                                                           frs 30x12 sont                 360,00

                                                           plus 45x6                         270,00

     otal        630,00

 

Dépenses:

acquisition d’un drapeau                                                        250,00

Indemnité au directeur                                                          420,00

acquisition de musique                                                            70,00

loyer du local                                                                             60,00

Total         700,00

 

Der Verfasser der Vereinschronik übergeht einfach die Tatsache der Spaltung. Er wollte sicherlich keine alten Wunden wieder aufreissen.

 

Was war die Ursache dieser Vereinstragödie?

 

Genau wie der Rodinger bestand auch der Rollinger Gesangverein aus zwei Gruppierungen:

 

-. einerseits die nur weltlichen Sänger,

-. andererseits die Kirchensänger (welche nicht statutenmässig organisiert waren).

 

Die Span­nungen waren demnach vorprogrammiert, Spannungen, die schliesslich zum Bruch führten. Der Name Cäcilia, den sich der neue Verein zulegte, bestätigt die Vermutung, dass sich die Kirchensänger vom alten Gesangverein trennten und eine eigene Gesellschaft gründeten. Wollten sie allerdings ein staatliches Subsid erhalten, so durften sie sich nicht ausschliesslich dem Kirchengesang widmen. Die Sänger der Cäcilia mussten demnach ebenfalls weltliche Lieder einstudieren.

 

Das rühmlose Ende der beiden Kontrahenten

 

Alles lief zunächst am Schnürchen für die Cäcilia. Die grosse Mehrzahl der Dorfbewohner unterstützte den neuen Verein: 45 Ehrenmitglieder gegenüber 8 für den Rivalen. Auch bei der Sängerzahl war sie leicht im Vorteil. Die Sänger zahlten zur Unterstützung des Vereins einen Franken pro Monat, die Ehrenmitglieder die Hälfte. Als Vereinslokal hatte man das Café SIEDLER-MAES, gelegen im oberen Teil der Thillsgaass gewählt. Dafür musste die Cäcilia eine Jahresmiete von 60 Franken zahlen. Hinzu kamen noch die Kosten für Heizen und Geleucht. Zweimal in der Woche wurde geprobt. Als Chorleiter hatte man Nicolas SCHRANTZ ausgewählt, er stammte aus Hosingen, wohnte allerdings in Niederkorn. Von 1896 - 1898 hatte er die Rodinger Eintracht geleitet?

 

Doch was ist ein Verein ohne Fahne. Diese (1895 eingeweiht) war im Besitz des Rivalen geblieben. Also musste die Cäcilia geschwind eine neue anschaffen. Bereits ein Jahr nach der Gründung, nämlich 1900, wurde die Fahne feierlich eingesegnet. Sie ist übrigens heute noch erhalten, allerdings in sehr schlechtem Zustand.

 

 

Der Rollinger Gesangverein dagegen schien weiter in der Knabenschule seine Proben abzuhalten, denn im Be­richt des Bürgermeisters geht keine Rede von einer Saalmiete (siehe oben). Über die Sängerzahl konnte man sich nicht beklagen, nur die Ehrenmitglieder mit ihrer finanziellen Stütze blieben aus. Der Dirigent Michel KALTE  (von 1898 bis 1917 leitete er ebenfalls die Rodinger Eintracht) bezog ein niedrigeres Gehalt als sein Kollege bei der Cäcilia; doch konnte dieser Umstand das riesige Loch in der Vereinskasse nicht stopfen. Die Frage, wie man finanziell über die Runden kommen konnte, war berechtigt. Einen höheren Beitrag konnte man von den Sängern kaum verlangen. Und wie sollte man neue Ehrenmitglieder bei der Dorfbevölkerung gewinnen?

Erstes Haus links: Café Siedler-Maes
Erstes Haus links: Café Siedler-Maes
Fahne des Cäciliengesangvereins
Fahne des Cäciliengesangvereins

Hatte schliesslich der Pleitegeier zugeschlagen und den Rollinger Gesangverein abgewürgt? In der Bestandsaufnahme der Gesang- und Musikgesellschaften der Gemeinde Petingen vom 28. Dezember 1901 und 27. Dezember 1902 wird für Rollingen nur die Cäcilia genannt, obschon die Liste des Distriktskommissars beide Vereine noch 1904 aufzählt. Dieser Beamte schrieb dann auch seinem Vorgesetzten, dem Generaldirektor des Innern, il y aurait lieu d’exclure les 2 sociétés de la répartition des subsides, puisqu’on doit admettre qu’à Lamadelaine une seule société de chant pourra subsister honorablement. Der Distriktskommissar hatte ebenfalls bei der Petinger Behörde interveniert. Am 19. Dezember 1904 antworteten ihm die Petinger Bürgermeister und Schöffen qu’ils convoqueront les comitès des deux sociétés de chant de Lamadelaine et les deux sociétés de musique de Rodange, et qu ’ils tacheront de les réunir respectivement dans une seule société. Le rapport affèrent vous parviendra sous peu.

 

Den Bericht hat René Klein allerdings nicht gefunden.

 

Inzwischen war auch der Cäcilia die Luft ausgegangen. 1902 hatte sie nur noch 18 Sänger und 20 Ehrenmitglie­der. Ein Zettel, welcher dem Gemeindesekretär zum Aufstellen der Liste an den Distriktskommissar diente, nennt folgenden Vorstand der Cäcilia (1902):

 

Präsident              SIEDLER Guillaume

Vizepräsident       BOSSELER Nicolas

Sekretär                HEUSCHLING Jean-Baptiste

Kassierer              DEPELEGRINI Jean

Dirigent                ZAHLEN Pierre

 

Aber auch die Finanzen der Cäcilia waren nicht ins Gleichgewicht zu bringen, oder sollte man sie eigens für die Regierung frisiert haben? Jedenfalls kann man feststellen, dass bereits drei Jahre nach der Gründung ein Präsi­denten- und Dirigentenwechsel stattgefunden hatte. War dies das erste Anzeichen des beginnenden Zerfalls? In einem Brief vom 25. April 1912 schreibt Jean DE PELLEGRIN (1902 wird er noch DEPELEGRINI genannt), dass die Cäcilia nur bis 1903 bestanden hätte. Er musste es ja wissen, da er deren Kassierer war. Aber auch der Bürgermeister J. THILL, ein Rollinger, musste genau im Bilde gewesen sein. Einer der beiden Vereine hat jedenfalls am 13. September 1903 am 2. regionalen Turnfest in Differdingen teilgenommen, da die Chorale heute noch im Besitz der damals ausgegebenen Gedenkmedaille ist.

 

Aus all diesen Angaben lässt sich folgender Schluss ziehen: die beiden Vereine, der Rollinger Gesangverein und die Cäcilia, waren 1904 am Ende. Sängerschwund (das Singen war eine teure Angelegenheit geworden, grosser Zeitaufwand für die Proben), Dirigentensalär, Saalmiete und Zwistigkeiten dürften beiden Gesellschaften stark zugesetzt haben. Ein Versuch des Bürgermeisters beide theoretisch noch bestehende Vereine zu einer Fusion zu überreden, dürfte an unüberbrückbaren Familienzwisten gescheitert sein. Auf der Liste des Distriktskommissars von 1905 werden beide Rollinger Vereine daher nicht mehr aufgeführt.

 

Doch der Kirchengesang ging weiter. Jeden Sonntag wurde das Hochamt gesungen, auch wenn der weltliche Verein Cäcilia seine Tätigkeit eingestellt hatte. Am 18. Januar 1903 hatte der Kirchenrat sogar beschlossen, weniger Stühle auf der Empore zu verpachten, um den Chorsängern mehr Raum zu verschaffen.

 

Bergmannsgesangverein

Im Jahre 1905 wurde der Bergmannsgesangverein als einziger Verein in unserm Dörfchen gegründet. So steht es in einem Brief, den diese Gesellschaft am April 1912 an den Generaldirektor der Finanzen (heute sagt man Finanzminister) gesandt hat. Dagegen finden wir diesen neuen Gesangverein erst am 24. Dezember 1909 auf der Liste der Gesang- und Musikgesellschaften der Gemeinde Petingen und zwar mit dem Vermerk «neu gegründet». Gegen letztere Darstellung zeugt ein Foto, welches 1906 aufgenommen und in der Festbroschüre von 1975 gedruckt worden ist. Darauf sind 24 Personen abgebildet.

 

Wer waren die Leute, welche den Bergmannsgesangverein gegründet hatten? Bestimmt fanden sich unter ihnen alte Aktive des früheren Rollinger Gesangvereins. Hinzu kamen aber auch Sänger der eingegangenen Cäcilia. In der Tat bekleidete 1912 Jean DE PELLEGRIN den Posten eines Sekretärs im Bergmannsgesangverein, während er 1902 als Kassierer der Cäcilia genannt wird. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die rein weltlichen Sänger der einstigen Cäcilia im neuen Gesangverein vermutet.

 

Das erklärt dann auch den Namen der neuen Gesellschaft. Da die alten Bezeichnungen (Rollinger Gesangverein und Cäcila) mit einem bösen Nachgeschmack behaftet waren und an Streit und Hader erinnerten, hat man sich auf einen neutralen Namen geeinigt. Bestimmt ging die Mehrzahl der Sänger dem Bergmannsberuf nach. Als Vereinslokal hatte man das Café Kayser (Brauns Franz) in der rue de la Montagne (an der Hiel) auserwählt. Das Foto zeigt übrigens die Sänger vor ihrem Lokal. Auch war 1906 bereits eine Fahne angeschafft worden.

 

 

Warum hat man anfangs den Bergmannsgesangverein totgeschwiegen ?

1906 - Der Bergmannsgesangverein
1906 - Der Bergmannsgesangverein
Die Gastwirtschaft Braun in der rue de la Montagne
Die Gastwirtschaft Braun in der rue de la Montagne

Die Chronik von 1933 erwähnt mit keinem einzigen Wort seine Gründung. Nur bei der Fusion von 1919 wird er zwangsläufig genannt. Naja! Der Verfasser der Chronik war ein Anhänger der Cäcilia, was seine Haltung recht­fertigt. Doch unerklärlich bleibt das Verhalten der Gemeindeverwaltung. War der Bürgermeister Jean THILL, ein Rollinger, verärgert, dass seine Bemühungen einer Fusion fehlgeschlagen waren, und dann, unabhängig von ihm, doch noch ein neuer Verein gegründet worden war? Hatte sein Nachfolger (im Jahre 1906) J. WAXWEILER, ein Petinger, keine Kenntnis von den Rollinger Vorfällen? Immerhin war er seit 1900 Schöffe gewesen. Warum hat der 1906 neu ernannte Rollinger Schöffe Dominique SCHILTZ geschwiegen? 1900 war er doch Präsident des Rollinger Gesangvereins gewesen? War dieser Verein etwa im Streit auseinandergebrochen, und die Ver­antwortlichen dafür waren nun im neuen Bergmannsgesangverein? Lauter Fragen, auf die es keine Antworten mehr gibt?

 

Über die Verantwortlichen und die Tätigkeiten des Bergmannsgesangvereins kann nicht viel gesagt werden. Den Brief von 1912 haben unterschrieben Francois THILL als Präsident, Francois BIVER als Vizepräsident, Fran­cois KAYSER als Kassierer und Jean DE PELLEGRIN als Sekretär.

 

Rund 20 Sänger hatten sich im Verein eingeschrieben. Da nach dem Brief von 1912 der Dirigent 5 Franken/Pro­be erhielt, wurden 1909 noch 100, im Jahre 1912 allerdings nur 16 Proben abgehalten. Hatte dies etwa mit der Wiedergeburt der Cäcilia oder dem Dirigenten zu tun? Übrigens schweigen sich die Quellen über die Chorleiter des Bergmannsgesangvereins aus. Man weiss nur, dass 1919 Michel KALTE diesen Posten bekleidet hat. (Chronik 1933).

 

Die Wiedergeburt der Cäcilia

Wer nun geglaubt hat, die weltliche Cäcilia wäre im Nichts versunken, der hat Unrecht. Die Stammsänger des Kirchenchors traten ja noch jeden Sonntag zum Messgesang an. Die Idee, auch wieder weltliche Lieder zu singen und dadurch in den Genuss des Staatssubsids zu gelangen, blieb attraktiv. So wundert es also nicht, wenn wir am Dezember 1907 die Cäcilia als Rol­linger Gesangverein auf der Liste der Gemeindeverwaltung wiederfinden. 20 Sänger und 30 Ehrenmitglieder soll der Verein gezählt haben. Da jedoch auf der Liste des Jahrs zuvor (17. De­zember 1906) kein Gesangverein in Rollingen aufgezählt wird, muss die Cäcilia im Laufe des Jahres 1907 wie­der ins Leben gerufen worden sein. Aber ihre Existenz war nur von kurzer Dauer, da sie am 24. Dezember 1909 nicht mehr erwähnt wird.

 

Im Brief von 1912 wird diese Episode nicht genannt. Da jedoch eine dritte Gründung der Cäcilia beschrieben wird, ist dieser zweite Versuch indirekt bestätigt.

 

Unerklärlich bleibt, warum die Cäcilia von der Gemeindeverwaltung für den Erhalt eines staatlichen Subsids vorgeschlagen, während der Bergmannsgesangverein ignoriert wurde. Am 26. Februar 1908 erhielt dann auch die Cäcilia einen staatlichen Zuschuss von 25 Franken für das Jahr 1907. Doch für die Jahre 1908 und 1909 gingen die Rollinger Gesangvereine leer aus.

 

Wer die Verantwortlichen und Sänger dieser zweiten Cäcilia waren, ist unbekannt.

 

Im November 1910 richtete der Rollinger Lehrer Pierre SCHMIT ein Gesuch an den Kirchenrat mit der Bitte, ihm die Schulung des Kirchenchores anzuvertrauen. Seine Bedingungen waren eine moralische und materielle Unterstützung des Kirchenrates, Handlungsfreiheit und Bezahlung (natürlich im Rahmen der Sparsamkeit) der Gesangbücher aus der Kirchenkasse. Am 1. Januar 1911 versammelte sich der Kirchenrat. Da nun die Einkünfte der Kirchenfabrik gering und die Zuschüsse aus der Gemeindekasse schwer zu erhalten wären, des weiteren der Lehrer zur Überwachung der Kinder in den Gottesdiensten gebraucht würde, beschloss der Rat einstimmig:

 

-dass dem Herrn Lehrer aus der Kirchenkasse kein Zuschuss gewährt werden kann

-dass der Herr Lehrer seinen Platz in der Kirche unmittelbar hinter den Kindern einnehmen solle, weil dieses dem allgemeinen Wunsch der Einwohner und ganz besonders den Berufspflichten eines Lehrers und Erziehers entspricht.

 

Nach diesem Beschluss kam Bewegung in die Sängerszene. In den nachfolgenden Wintermonaten versuchte Pfarrer Jean FRIEDRICH mit Hilfe seines katholischen Arbeitervereins einen statutarischen Kirchengesangverein zu gründen. Man wollte dem neuen Verein den Namen Cäcilia geben, um dadurch die Fahne der alten Cäcilia gebrauchen zu können. Diese stand im Café der Witwe Marie SIEDLER-MAES. Die Verantwortlichen des Bergmannsgesangvereins erklärten im Brief von 1912, nichts dagegen einzuwenden gehabt zu haben. In der Tat war Francois THILL, der Präsident, Mitglied des Kirchenrats. Der Bruder des Vizepräsidenten, Jos BIVER, war ebenfalls im gleichen Vorstand.

 

Mehrere Herren aus dem seinerzeit bestandenen Gesangverein Cäcilia gründeten nun im April 1911 mit Hilfe einiger, von uns ausgetretenen Sängern einen dritten Gesangverein Cäcilia und wählten ihr Lokal bei der Witwe Siedler-Moes (richtig Maes), einerseits, um den Plan des Herrn Pfarrers zu nichte zu machen, anderseits, um unseren Verein zu schädigen. Diesen neuen Verein dirigiert Herr Lehrer Schmit von hier. (Auszug aus dem Brief des Bergmannsgesangvereins von 1912).

 

Man braucht kein Hellseher zu sein, um das Intrigenspiel und die Rache des Lehrers zu erkennen.

 

Der Vorstand der dritten Cäcilia schrieb dann auch bereits am 29. Dezember 1911 an den Distriktskommissar, um sich für einen staatlichen Zuschuss zu empfehlen:

 

Wir erlauben uns, Ihnen hierdurch zur gefl. Kenntnis zu bringen, dass ab 1. April l.J. unser früher bestehender Gesangverein «Cäcilia» wieder in Kraft getreten ist und wären wir Ihnen sehr zu Dankverpflichtet, falls Sie uns, wie die übrigen Vereine des Landes mit einer kleinen Subsidie unterstützen wollen.

 

Gezeichnet war das Schreiben vom Präsidenten Pierre LOSCHETTER und dem Sekretär J.P. KRAUS. In der Aufstellung der Gesang- und Musikgesellschaften der Gemeinde Petingen vom 24. Januar 1912 sind dann auch die beiden Rollinger Vereine, die Cäcilia und der Bergmannsgesangverein, aufgezählt.

 

Und wieder trat die Angst beim Bergmannsgesangverein auf, von den Autoritäten übervorteilt zu werden. Als man in den Zeitungen das Verzeichnis der Vereine las, welche einen staatlichen Zuschuss erhielten, ihren Ge­sangverein jedoch in diesem Verzeichnis nicht vorfand, während die Cäcilia 25 Franken erhielt, entlud sich die ganze Wut und Ohnmacht des Bergmannsgesangvereins in dem Brief vom 25. April 1912 an den General­direktor der Finanzen. Dieser liess den Rollingern am 3. Mai folgende Antwort zukommen:

 

In Erwiderung Ihres Gesuches vom 25. verfl. Monats April beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass in der Nr 30 des «Memorial» I. J. ein Subsid von 25 Fr. für eine jede der Gesanggesellschaften Lamadelaine (Bergbauarbeiter) und Lamadelaine (Caecilia) eingetragen ist. Ich glaube annehmen zu müssen, dass die in Ihrer erwähnten Zuschrift angeführten Aeusserungen auf Irrtum beruhen. In der Tat erhielten am 19. April 1912 beide Gesangvereine ein Subsid von 25 Franken für das Jahr 1911.

 

Seit dem Bestehen dieser zwei Gesangvereine kam es öfters schon zu gegenseitigen Reibereien (Brief von 1912). Kein Wunder, da ja ein Teil der Sänger des Bergmannsgesangvereins zur Cäcilia übergelaufen war. Ausserdem arbeitete Lehrer SCHMIT mit Dumpingpreisen. Er erhielt nur 2 Franken pro Probe, während der Dirigent des Bergmannsvereins deren 5 bekam. Francois THILL und Co revanchierten sich und schwärzten den Lehrer beim Schulinspektor KUNNEN an. Ja sie wandten sich sogar an den Oberinspektor in Luxemburg (Brief von 1912).

 

Von der Führung der neuen Cäcilia sind einige Namen und Daten aus der Festbroschüre von 1950 bekannt. Prä­sident Pierre LOSCHETTER war nur ein Jahr im Amt. 1912 trat an seine Stelle Nicolas BOSSELER. Der Sekretär J.P. KRAUS war von Anfang an dabei. Er blieb auf seinem Posten bis zur Fusion im Jahre 1919. Keine Angaben besitzen wir über den Vizepräsidenten. Die Kasse scheint seit der Neugründung von 1911 Jos LIBERT über­nommen zu haben.

 

Dirigent war, wie bereits erwähnt, Pierre SCHMIT. 1913 trat an seine Stelle sein Lehrerkollege aus Rodingen, Hary GODEFROID. Dieser, Lehrer, Schriftsteller und Komponist, war vorsichtiger als sein Vorgänger. Erliess sich von seiner Obrigkeit die Erlaubnis zum Dirigieren erteilen. Am 10. August 1914 gestattete der Generaldirektor des Innern, dass GODEFROID den Dirigentenposten einnähme jedoch mit dem Vorbehalt que l’instituteur ne puisse se prévaloir de ces fonctions accessoires pour accorder à ses élèves des congés extraordinaires non prévus par le travail organique des écoles.

 

Waren bei der Neugründung von 1911 rund 20 Sänger der Cäcilia beigetreten, so stieg ihre Zahl im Jahre 1914 über 30. In dem Jahr feierte dann auch die Cäcilia ihren grössten Triumph, wie in der Chronik berichtet wird: Kurz vor Einbruch der Weltkatastrophe errang die Gesellschaft auf dem internationalen Gesangwettstreit zu Trier einen zweiten Preis. Feierlich wurden die Heimgekehrten empfangen, Blumensträusse wurden überreicht, am folgenden 12. Juli wurde eine Ehrungsfeier veranstaltet, an der auch auswärtige Gesellschaften sich beteiligten.

 

Lamadelaine, den.25 April 1912,

Hochgeehrtester Herr General - Direktor!

 

Der Vorstand des Bergmannsgesangvoreins Lamadelaine gestattet sich hiermit höflichst, Ihnen eine Bitte zu unterbreiten in der angenehmen Erwartung, dass Sie dieselbe nicht unberücksichtigt lassen werden.

 

Im Jahre 1905 wurde der Bergmannsgesangverein als einziger Verein in unserem Dörfchen gegründet. Im Winter 1911 beabsichtigte der Herr Pfarrer in seinem katholischen Arbeiterverein einen Kirchgesangverein zu gründen, wogegen wir ja nichts einzuwenden gehabt hätten, und wollte er seinem Verein den Namen Cäcilia geben, um die bei der hiesigen Witwe Siedler-Moes (richtig Maes) stehende, von dem von 1900 - 1905 bestandenen Gesangveroin Cäcilia herrührende Fahne zu erhalten.

 

Mehrere Herren aus dem seinerzeit bestandenen Gesangverein Cäcilia gründeten nun im April 1911 mit Hilfe einiger, von uns ausgetretenen Sängern einen dritten Gesangverein Cäcilia und wählten Ihr Lokal bei der Witwe Siedler-Moes (richtig Maes), einerseits, um den Plan des Herrn Pfarrers zu nichte zu machen, anderseits um unserem Verein zu schädigen.

 

Diesen neuen Verein dirigiert Herr Lehrer Schmit von hier. Wir beschwerten uns schriftlich Herr Schulinspektor Kunnen und ebenfalls persönlich bei Herrn Oberinspektor in Luxemburg, aber trotzdem dirigiert Herr Lehrer Schmit ruhig weiter.

 

Seit dem Bestehen dieser zwei Gesangvereine kam es öfters schon zu gegenseitigen Reibereien.

 

Laut dem in den Zeitungen veröffentlichten Verzeichnis erhält der neue Gesangverein Cäcila ein Subsid von 25 Frs., während unser Vorein nichts bekommt, trotzdem wir bereits frühere Jahre das Subsid erhielten.

 

Der Herr Lehrer erhält pro Probe 2 Frs., während unser Verein 5 Frs. pro Probe zahlen muss. Aus diesem Grund stände uns eine kleine Unterstützung eher zu.

 

Wir bitten höflichst, die Angelegenheit untersuchen lassen zu wollen.

 

Hochachtungsvoll

für den Vorstand des Bergmannsgesangvereins

 

Präsident         Vize-Präsident             Kassierer         Sekretär.

Fr. Thill               T. Biver                                Kayser             J. de Pellegrin

 

Brief des Bergmannsgesangverein an den Finanzminister (früher Generaldirektor genannt).

 


Die SOCIETE CHORALE, Produkt einer Fusion

Am 20. September 1919 wurde der Verein «Chorale» gegründet, der eine Vereinigung der beiden bestehenden Gesellschaften «Cäcilia» und «Bergmannsgesangverein» bringen sollte. Die einigkeitsliebenden Sänger traten dem neugegründeten Verein bei, und so musste der Name «Cäcilia» geopfert werden (Chronik 1933).

 

Warum sollten beide Rollinger Gesangvereine sich zu einer Gesellschaft zusammentun? Der Chronist gibt keine direkte Antwort auf diese Frage. In der Tat ging es beiden Gesangvereinen im Prinzip gut. Sängermangel ist nicht festzustellen. Am 20. Januar 1919 hielt die Gemeindeverwaltung 33 Aktive für die Cäcilia und deren 26 für den Bergmannsgesangverein fest. Was war dann die Ursache? Klein René scheint, dass einer ganzen Reihe von Rollingern, angesichts des mörderischen 1. Weltkriegs, die kleinen Reibereien (Brief von 1912) zwischen den beiden Vereinen, die Familienzwiste und persönliche Rankünen doch hohl und nichtig erschienen sind. Die einsichtigen, einigkeitsliebenden Sänger wollten endlich wieder einen einzigen Rollinger Männergesangverein, auch wenn einige Opfer gebracht werden mussten. Die Unterstützung der Gemeindeautoritäten war ihnen zweifellos gewiss.

Wie bei jeder Fusion mussten Kompromisse geschlossen werden. Die Bezeichnungen der beiden Gesellschaften wurden aufgegeben und durch Société Chorale ersetzt. Dieser Name wurde und ist noch heute ein Begriff für alle Kunstkenner des Männergesangs und das weit über die Landesgrenzen hinaus. Zum neuen Präsidenten wurde der Betriebsführer J.P. GEISEL gewählt. Michel KALTE, Dirigent des Bergmannsgesangvereins übernahm die Leitung des neuen Vereins. Herr GODEFROID, Dirigent der Cäcilia, trat wohl freiwillig zurück und übernahm 1920 die Leitung der Rodinger Eintracht. Beide Männer kannten sich gut, hatte doch KALTE bis 1917 grossartige Arbeit im Rodinger Gesangverein geleistet. Der frühere Sekretär der Cäcilia J.P. KRAUS trat zurück. Auf diesen Posten wurde Théo HENGEN gestimmt.

 

J.P. KRAUS trat dem neuen Verein bei, und rund vierzehn Tage später trat die Chorale bei seiner Hochzeit zum ersten Mal öffentlich auf. Zum Kassierer der Chorale wurde Jos LIBERT gewählt, der langjährige Einnehmer der Cacilia. Leider hatte die Chorale anfangs Pech mit ihrem Präsidenten. Herr GEISEL verschied bereits am 28. März 1920. Provisorisch übernahm Dominique SCHILTZ die Leitung des Vereins bis in der Generalversammlung vom 4. November Pierre LOSCHETTER zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Imposant war die Zahl der Aktiven: 47 nach der Fusion, 50 ein Jahr später. Als Vereinslokal hatte man das Café TOCKERT auserwählt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde dann das Café MARCHETTI zum neuen Vereinslokal erkoren.

Am 5. Februar 1921 erklärte der Bürgermeister, dass die Chorale öffentlich als einziger Gemeindegesangverein der Ortschaft Rollingen anerkannt worden wäre, dass der Verein Solfegekurse organisierte und dafür ein Ge- meindesubsid von 600 Franken bekäme. Die Gemeindeautoritäten verlangten, dass ebenfalls der Staat dem Verein eine angemessene Unterstützung wegen dieser ausserordentlichen Ausgaben zukommen lassen müsste.

 

Was aber geschah mit den nicht «einigkeitsliebenden» Sängern? Darüber schweigt des Chronisten Höflichkeit! Doch die Wirklichkeit war nicht so ermutigend. In der Tat blieb der Bergmannsgesangverein bestehen. Er wird auf den von der Gemeindeverwaltung aufgestellten Listen der Gesang- und Musikgesellschaften vom 2. März 1920 resp. 5. Februar 1921 mit 17 resp. 15 Aktiven aufgezählt. Auf der Liste des Distriktskommissars für das Jahr 1922/23 wird der Rollinger Verein als nicht mehr bestehend klassiert, so dass man sein Verschwinden (sang- und klanglos) im Laufe des Jahres 1922 annehmen darf. Den Todesstoss hat vermutlich die Gemeindeverwaltung gesetzt, als sie die Chorale als einziger Rollinger Gesangverein anerkannte. Dadurch wurde dem Bergmannsgesangverein automatisch der Geldhahn abgedreht.

 

Wer sind die letzten Starrköpfe gewesen? Klein René hat es nicht herausgefunden. Der Chronist von 1933 hat es bestimmt gewusst, doch er schwieg, um keine alten Wunden aufzureissen.

 

Café Tockert (hohes Haus) neben dem Bauer Tockert.
Café Tockert (hohes Haus) neben dem Bauer Tockert.

Hierzu eine Bemerkung meinerseits. Pfarrer Kohl Jean (Rollinger Pfarrer vom 05.09.1923 - 01.10.1927 - Mord im Pfarrhaus) machte 1927  folgende Aussagen:

 

In Lamadelaine bestehen zwei Gesangvereine:

a) der Kirchengesangverein und

b) der weltliche Gesangverein mit dem Titel „societé chorale".

 

...Ich hatte den Kirchengesangverein gegründet und leitete auch dessen Versammlungen. Die Neugründung hatte ich unternommen, nicht aus Antipathie gegen die „Société chorale“, sondern weil ich für die Verschönerung des Gottesdienstes eine auserlesene Schar Sänger zur Verfügung haben musste. Ich wäre gerne einverstanden gewesen, dass beide Gesangvereine sich miteinander verbunden oder dass wenigstens die besseren Sänger der „Société chorale“ mit uns in der Kirche gesungen hätten. Aber dieses Zusammenarbeiten der beiden Gesellschaften scheiterte an der Hartnäckigkeit des Dirigenten Hengen Teophil...

 

Epilog: die Gründung des Kirchengesangvereins

Wie stand es nun mit den Kirchensängern? Auch sie, wie Klein René erzählt wurde, mischten kräftig mit bei den «Reibereien». Ihr Stammlokal war das Café HENGEN (a Baachen).

 

Hierzu wiederum eine Bemerkung meinserseits basierend auf den schon oben erwähnte Aussagen des Pfarrers Koch:

Laut Koch war das Café Tibessart, gelegen in der unteren Hälfte der Thillsgasse das Stammlokal des kirchlichen Gesangvereines, da er in Streit mit der Familie Hengen war und diesen smit Schaden wollte.....

 

Auch wenn sie statutarisch nicht organisiert waren, so wurden sie doch von der Dorfbevölkerung als dritter Gesangverein angesehen. Doch auch an ihnen nagte der Zahn der Zeit. Im Jahre 1924 wurden zur Verstärkung des Kirchengesangvereins Frauen mitherangezogen. Wie lange sie im Chor mitsangen, ist unbekannt, doch dürfte dieser Umstand ein willkommenes Angriffsziel des weltlichen Männergesangvereins gewesen sein.

 

An den hohen Festtagen griff man auf die Sänger der Chorale zurück. In seiner Sitzung vom 24. April 1932 wollte der Kirchenrat der Chorale dafür ein Entgeld von 400 Franken zukommen lassen. Allerdings wurde nur die hälfte bezahlt, wie aus dem Kassenbuch des Vereins ersichtlich.

 

Im Jahre 1933 wurde die alte Kirche abgerissen. Nur der Glockenturm blieb stehen. Als zwei Jahre später das neue (heutige) Gotteshaus fertig gestellt war, wurde unter dem Impuls von Pfarrer J.P. BERG der Kirchengesangverein neu gegründet. Der neue Verein nannte sich Gesangverein Cäcilia oder Société Sainte Cécile. Im Jahre 1962 wurde die Bezeichnung in Chorale Sainte Cécile umgewandelt

 

Société Chorale - Fahnenweihe am 30. Juli 1933
Société Chorale - Fahnenweihe am 30. Juli 1933


1937 arbeitete Pfarrer Nicolas SEYWERT (Photo) endlich Statuten aus, welche in der Generalversammlung vom 10. Okto­ber angenommen wurden. Eine Konkurrenz zur Chorale war fortan ausgeschlossen, da der neue Verein sich ausschliesslich dem Kirchengesang widmen wollte.

1936-1947 Seywert Nicolas
1936-1947 Seywert Nicolas


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Feier der Société Chorale in den 50zigern im Café Hengen (a Baachen) in der rue de la Gare
Feier der Société Chorale in den 50zigern im Café Hengen (a Baachen) in der rue de la Gare
Société Chorale in den 50zigern auf der Kegelbahn im Café Braun Franz in der Rue de la Montagne
Société Chorale in den 50zigern auf der Kegelbahn im Café Braun Franz in der Rue de la Montagne

An den 60ziger


1900 - 1975

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1889 - 1994

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1889 - 2014

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Dirigend Aloyse Goedert
Dirigend Aloyse Goedert