Mord im Pfarrhaus
Rollingen, den 08. Februar 1927
Copyright (c) Arend Claude
Als pensionierter Polizeihauptkommissar war ich baff als ein Mitglied der Geschichtsfreunde der Gemeinde Petingen mir eines Tages im Geschichtshaus zu Rollingen erzählte, dass sich 1927 im selben Hause ein Mord ereignete. Da ich als alter Rollinger nichts davon wusste, zumal ich in meinen ersten Lebensjahren neben diesem Hause in der alten, heute abgerissenen Schule mit meinen Eltern bei meinen dort wohnenden Grosseltern auch wohnte nahm ich die Spur auf und suchte nach Hinweisen zu dieser Tat.
Ein Jahr hat es gedauert, bis ich aus Fakten, bestehend aus über 200 Gerichtsunterlagen sowie zich Zeitungsausschnitten, ein Rekonstruktionsbericht zusamengefügt und fertiggestellt habe. Es ist dies also kein Kriminalroman sondern der Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse welche sich vor und nach dem 8. Februar 1927 nach Verhören, Aussagen, Protokollen und Berichten des Beschuldigten, der Zeugen, der Gendarmeriebeamten aus Rodingen, dem Untersuchungsrichter, der Kriminalpolizei und den Experten in Rollingen ereignet haben.
In Rollingen oder auch Lamadelaine genannt gab es in der Amtszeit von Pfarrer Koch Jean (1923 – 1927) zwei Parteien die pro Koch und die pro Hengen Anhänger, wobei Letztere nachweislich die meisten Anhänger hatte. Rollingen zählte damals etwa 1.000 Einwohner.
In dieser Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass bei einer Schwangerschaft nicht verheiratete Frauen von ihren Familien verstoßen oder sogar aus dem Dorf verbannt wurden. Davon Bescheid wussten die wenigsten Einwohner. Ausnahmen gab es natürlich auch: zum Beispiel könnte es dem Pfarrer auf dem Beichtstuhl gesagt worden sein oder jemand hat es durch das einzige Dorftelefon erfahren. Die betroffenen Frauen mussten dann nach Paris oder in die Stadt Luxemburg ziehen, um dort im Dienst von besser angesehenen Familien bis zur Entbindung zu arbeiten. Danach gingen manche Frauen mit ihrem Kind zurück zu ihrer Familie. Die meisten Kinder wurden jedoch einer neuen Familie oder ins Heim gegeben.
Alle hier in dieser Rekunstruktion genannten Personen haben 1927 in Rollingen und den anderen genannten Dörfern gelebt und werden auch mit ihren vollen Namen erwähnt.
Claude Arend
Version 1 - Alzingen - Herbst 2019
Hier finden sie die dementsprechenden Zeitungsartikel zu dem Fall.
Hier finden sie den gesamten Leumundsbericht von Pfarrer Koch.
Danke
Den Mitarbeiter des Geschichtshauses der Gemeinde Petingen,
der Staatsbibliothek, dem Staatsarchiv sowie
die Erlaubnis von Roger Bour für die Benutzung seiner Kohlenbilder.
Das Haus ganz links ist das Pfarrhaus.
Das Personenregister
Name Alter 1927 Stand Info
Hengen François Emile, gen. Emile 23 Ankerwickler geb.26.10.1903 in Rollingen gestorben am 13.06.1973 in Luxemburg
Koch Jean 52 Pfarrer geb. 02.08.1874 in Kaundorf getötet am 27.04.1932 in Luxemburg
Koch Cathérine 53 Schwester/Köchin geb. 12.02.1873 in Kaundorf getötet am 08.02.1927 in Rollingen
Zeugen aus Rollingen:
Name, Alter im Jahre 1927, Stand, Info
Agarand Jean, 46, Ackerer und Küster
Bodson Gustav, 35, Lehrer
Bosseler Jean-Pierre, alter Ortsvorsteher
Flammang Pierre, 24, Steiger
Flammang-Darada Joséphine, 26, ohne Stand, Ehefrau Flammang Pierre
Gilson Alfons, 12, Schüler, Sohn vom Schlosser Willi Gilson, Orgelbalgdrücker
Hengen Jos, 30, Ankerwickler
Hengen Leo, 32, Beamter, Organist bis 1925
Jacob Jos, 27, Beamter
Kemp Alex, 23, Zollbeamter in Esch/Alzette, Schulkamerad von Emile
Kraus Henri, 53, Arbeiter, wohnhaft gegenüber der Kirche
Kraus Nathalie, 14, Schülerin, Tochter von Henri, wohnhaft gegenüber der Kirche
Kraus Nicolas, 54, Hüttenarbeiter
Kraus-Reiffers Cathérine, 43, ohne Stand, Ehefrau Kraus Nicolas
Kraus Margaretha, 11, Schülerin, Sohn von Kraus Nicolas
Kraus Nicolas, 21, Arbeiter, Sohn von Kraus Nicolas
Krier-Weyland Anna, 73, ohne Stand, Witwe Krier Johann
Libert Germaine, 14, Schülerin, Tochter Libert Jean
Libert-Serres Mathilde, 38, ohne Stand, Ehefrau Libert Jean
Linden Joséphine, 37, Serveuse, Gastwirtschaft Hengen
Loschetter Pierre, 32, Hufschmied & Gastwirt, Gastwirtschaft Loschetter, rue de la Providence
Lucas François, 25, Ankerwickler
Mores-Niederprüm Mina, 20, ohne Stand, Ehefrau Mores Friedrich, Arbeiter
Paulus Joseph, 26, Eisenbahner, Munitionslieferant von Emile
Paulus-Peffer Maria, 65, ohne Stand, Ehefrau Paulus Nicolas, Gärtner
Risch Jos, 12, Schüler, Sohn des Machinisten Anton Risch
Risch Marcel, 10, Schüler, Sohn des Machinisten Anton Risch
Schiltz Dominique, 62, Ackerer, Onkel der Brüder Hengen
Schmit Nicolas, 38, Elektriker
Schrank Hermann, 53, Arbeiter
Schrank-Muller Joséphine, 25, ohne Stand, Ehefrau Schrank Henri
Schrank Joséphine, 25, ohne Stand, ledig, Tochter von Schrank Henri, 1 uneheliches Kind
Schrank Bernard, 19, Arbeiter, Sohn von Schrank Henri
Schrank Nicolas, 21, Arbeiter, Sohn von Schrank Henri
Thiry Jean, 76, Rentner, früherer Ortsvorsteher
Steichen Henriette, 36, ohne Stand, ledig, Tante der Tibessart Kinder
Tibessart Fernand, 14, Schüler, Sohn vom Ackerer Nicolas Tibessart
Tibessart Hélène, 13, Schülerin, Tochter von Ackerer Nicolas Tibessart
Tibessart Norbert, 9, Schüler, Sohn von Ackerer Nicolas Tibessart, Orgelbalgdrücker
Wanderscheid-Lambert Marie, 33, ohne Stand, Ehefrau Wanderscheid François
Wark Pierre, 52, Hüttenaufseher
Wirtz-Lambert Anna, 35, ohne Stand, Ehefrau Wirtz Pierre
Wirtz Victor, 18, Schreiner
Wolf Jean, 32, Minenarbeiter & Krämer
Zeugen aus anderen Ortschaften:
Name, Alter im Jahre 1927, Stand, Info
Becker Eugène, 35, Wirt, Rodingen
Dondelinger Xavier, 23, Ankerwickler, Zolver
Friedrich Jean, 70, pensionierter Pfarrer, Oberwormeldingen
Hengen Theo, Bruder von Emile, Rodingen, Leiter des Gesangvereines
Lugen Lucien, 36, Betriebsführer, Rodingen
Nau François, 50, Wirt, Rodingen
Schintgen Marcel, 36, Bürgermeister, Petingen
Schmit Pierre, 53, Lehrer, Niederkorn
Wanderscheid François, 26, Bergbauarbeiter, Rodingen
Experten
Name, Alter im Jahre 1927, Stand, Info
Gaasch Jean Dr., 56, Arzt, Rodingen
Kaiser Jean-Pierre, 38, Gendarm, Rodingen
König Jacob, 51, Wachtmeister, Gendarmerie-Kriminalbrigade Luxemburg
Medinger Pierre, Chemist, Luxemburg
Schaack Pierre, 39, Untersuchungsrichter, Luxemburg
Walser Auguste, 60, Wachtmeister, Rodingen, am Gerichtstag in Pension
Wenger Ernest, Nervenarzt, Luxemburg
Geschehnisse welche sich so zwischen dem
Amtsantritt von Pfarrer Koch am 05.09.1923 und dem Tattag Dienstag, den 08.02.1927 in Rollingen
ereignet haben oder ereignet haben sollen.
--------------------------------------------------------------
1.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Allgemein bekannt in Rollingen war, dass Pfarrer Koch in Zwist mit der Familie Hengen war. Ausgangspunkt dieser Streitereien war das Auftreten der Schwester/Köchin vom Pfarrer Koch, Fräulein Cathérine Koch. Letztere war 1924, als die Familie Hengen sich im Umbau ihres Wohn- und Geschäftshauses befand, eines Sonntags im Hause Hengen aufgetaucht als die Schreiner voll bei der Arbeit waren. Sie hat rumgeschrieen die Schreiner sollen sofort mit den Arbeiten aufhören und die Familie Hengen soll dieselben nach Hause schicken. Nicht aber die Arbeiter sondern die Pfarrköchin wurde von ihnen zur Tür hinausgewiesen. Nach diesem Vorfall suchte der Pfarrer immer Zwistigkeiten mit der Familie obschon Hengen Leo seit seinem 18. Lebensjahr, d.h. von 1913 an, Kirchenorganist war und sein Bruder Theo, der in Rodingen wohnte, den Kirchenchor leitete. 1925 sahen sich die Brüder gezwungen ihre freiwilligen Kirchenarbeiten aufzugeben da Koch keine Ruhe gab. Trotz der Zwistigkeiten begaben sich die Kochgeschwister immer in die Gastwirtschaft Hengen um zu telephonieren, denn hier befand sich das einzige Telefon des Dorfes.
Auszug - Leumundsbericht von Koch – Zitat:
Dass ich in religiöser Hinsicht manchen Vorbehalt machen musste, beweist folgender Vorfall. Im Jahre 1924 errichtete die Familie Hengen neben ihrem früheren Wirtshause einen geräumigen Neubau. Es geschah nun, dass am Fronleichnamssonntage während der Zeit, wo im Dorfe die Fronleichnamsprozession stattfand, mit Axt, Säge und vielem Gehämmer an diesem Gebäude gearbeitet wurde. Weil ich in diesem Momente noch glaubte, die Hengen seien eine katholische Familie, liess ich sie vor dem Hochamte höflich bitten, man solle wegen des hohen Festtages und des öffentlichen Ärgernisses die Arbeiten einstellen. Aber ich erhielt als Bescheid: „Was kümmert uns dieser Festtag? Die Hauptsache ist, dass der Tanzsaal für die Lamadelainer Kirmes fertig ist, sonst haben wir zuviel Verlust.
Das Foto stammt aus den 60zigern aber auch 1927 war die Hausreigenfolge dieselbe. Treppeneingang in die Gastwirtschaft. Der rechte Anbau ist der genannte Tanzsaal. Das Haus links neben der Gastwirtschaft gehörte ebenfalls der Familie Hengen.
2.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Fast jeden Sonntag war in der Predigt von Pfarrer Koch die Rede über die Familie Hengen ohne den Familiennamen direkt zu nennen. Der Inhalt der Predigt war oft die moralische Einstellung eines Teils dieser Familie.
Auszug - Leumundsbericht von Koch – Zitat:
Während der ganzen Zeit, wo ich Pfarrer in Lamadelaine war, habe ich niemals über die Familie Hengen eine abfällige Bemerkung von der Kanzel gemacht. Diese Predigtbeleidigung wurde in den Wirtshäusern und Eisenbahnzügen herumkolportiert. Ich erbat von den Einwohner von Lamadelaine, welche gewöhnlich dem Gottesdienste in der Pfarrkirche beiwohnten, eine schriftliche Kundgebung gegen diese böswillige Falschmeldung einer angeblich unbefugten Nennung des Namens Hengen vom Predigtstuhl. Ich war erbost inbetreff der moralisch-sittlichen Zustände in der Pfarrei und gebe zu, dass ich bei der Jahreswende 1925/26 erklärte: "Ich ermahne jeden, dass er auch in moralischer Hinsicht seine Pflicht erfüllt.“
Es ist und bleibt Pflicht eines jungen Menschen, der ein Mädchen verführt und ihm die Ehe versprochen, es auch später zu heiraten. Durch diese vaterlosen Kinder wird unser Armenbureau mit so grossen Ausgaben belastet, dass sie fast nicht mehr auskommen können. Auch wird unser Taufbuch mit Einschreibungen versehen, die nicht notwendig wären, wenn jeder seine Pflicht erfüllte. Ich hoffe deshalb, dass es im kommenden Jahre und in der Zukunft in diesem Punkte besser geht.
Diese Bemerkung war sicher allgemein gehalten und bezog sich nicht mehr auf die Familie Hengen als auf die anderen Insassen der Pfarrei. Die Gebrüder Hengen aber waren erbost und behaupteten, diese Bemerkung sei für sie persönlich gemünzt. Durch eine Radauscene, welche sie schon während der Predigt in der Kirche machten, verbreitete sich nach und nach in Lamadelaine und der Umgegend das Gerücht, ich hätte den Namen Hengen von der Kanzel genannt. Aber tatsächlich war dies nicht der Fall. In dem Augenblick gab es nämlich in Lamadelaine vier Fälle unehelicher Geburten.
3.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
In Prozessangelegenheiten stellte Pfarrer Koch sich auf die Seite der Gegner der Familie Hengen.
Er beriet die unverheiratete Dorffrau, Joséphine Schrank, die Hengen Jos bezichtigte sie geschwängert zu haben, sie solle ihn einfach vor Gericht belangen. Hengen Jos war daraufhin aufs Äusserste gegen Pfarrer Koch aufgebracht, er bezeichnete Pfarrer Koch öffentlich als "Schroën".
Desweiteren belehrte er die Familie Feiereysen in einer Grundstückssache gegen die Mutter Hengen, geborene Joséphine Franck.
Auszug - Leumundsbericht von Koch – Zitat:
Ich weiss von 2 Prozessen die Familie Hengen in meiner Amtszeit in Lamadelaine hatte:
1. Josef Hengen wegen der Vaterschaft eines unehelichen Kindes mit Joséphine Schrank.
2. Die Witwe Hengen mit der Familie Feiereysen-Marcy wegen der Durchfahrt über ein Grundstück.Von Schrank und Feiereysen erbat ich ein ehrenwörtliches Leumundszeugnisse, dass es nicht wahr ist, dass ich solche Beratungen vorgenommen habe.
4.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Als die Rollinger am Sonntag, den 1. März 1926 zur Messe gingen stand an der Kirchenmauer folgendes mit Kreideschrift geschrieben: „Was ist ein Ehebrecher?“ - „Ein Mann der zur Mühle geht!“. Die Aufschrift hatte Bezug auf den Pfarrer Koch, der zu genannter Zeit ein Verhältnis zu der „Müllerin“ unterhalten haben soll und sogar vom Müller auf frischer Tat ertappt worden sei.
Einige Tage später gab Koch Cathérine an der Ackerer Schiltz Dominique habe dies auf die Kirchenmauer geschrieben. Schiltz hat daraufhin Koch Cathérine aufgesucht und zur Rede gestellt. Die Köchin behauptete nun die Familie Hengen und er wüssten von der Aufschrift und Schiltz solle mit zum Pfarrer kommen. Schiltz kam dieser Aufforderung nach und ging mit zum Pfarrhofe. Pfarrer Koch warf ihm dieselben Beschuldigungen vor.
Desweiteren sagte Koch die Familie Hengen bestehe aus lauter Hurenjäger und Emile hätte die Scheune des Küsters Agarant, gelegen in der Ortschaft, am 1. März 1926 angezündet. Schiltz verlies unter heftigem Protest den Pfarrhof und setzte die Familie Hengen unverzüglich über das Geschehene in Kenntnis.
Das Anzünden der Scheune Agarant war auch Gegenstand einer Untersuchung durch Wachtmeister Koenig von der Kriminalpolizei Luxemburg, auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft. Diese verlief jedoch im Sande. Es wurde kein Täter ermittelt.(siehe Gerichtsverhandlung)
5.- Auszug - Leumundsbericht von Koch – Zitat:
Es ist die Rede, dass ich Emile in der Kirche einige Ohrfeigen verpasst habe. Diese Angaben bestreite ich vehement ab, ich habe Emile niemals eine Ohrfeige gegeben weder in der Kirche noch auf der Strasse, noch im Pfarrhaus. Um ihm eine Ohrfeige in der Kirche geben zu können, hätte er zuerst in der Kirche sein müssen. Leider war dies in den letzten Jahren nicht der Fall, wenigstens habe er ihn nicht gesehen. Hieraus ergibt sich, dass dieses Gerücht von den ausgeteilten Ohrfeigen in oder ausserhalb der Kirche einfach eine Erfindung müssiger und böswilliger Köpfe sei.
Aussagen von Emile:
Emile dementierte persönlich dieses Ohrfeigengerede bei Gelegenheit der Untersuchungskonfrontation am 9. Februar 1927 im Hospitale in Petingen.
6.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Koch wurde vorgeworfen er habe den von Theo Hengen dirigierten Gesangverein nicht genügend berücksichtigt und hätte Leo Hengen, den Organisten, von der Orgel vertrieben. Pfarrer Koch hatte es fertig gebracht aus einem gut funktionierenden Gesangverein 2 Vereine zu machen. Einen Kirchen- und einen Gesangvereinschor der auch "Chorale St. Cécile" genannt wurde.
Auszug - Leumundsbericht von Koch – Zitat:
Ich hätte den von Teophil Hengen dirigierten Gesangverein nicht genügend berücksichtigt.
In Lamadelaine bestehen zwei Gesangvereine:
a) der Kirchengesangverein und
b) der weltliche Gesangverein mit dem Titel „societé chorale".
Im „Escher Tageblatt“ wird dieser letztere "Cäcilienverein“ genannt. Ich hatte den Kirchengesangverein gegründet und leitete auch dessen Versammlungen. Die Neugründung hatte ich unternommen, nicht aus Antipathie gegen die „Société chorale“, sondern weil ich für die Verschönerung des Gottesdienstes eine auserlesene Schar Sänger zur Verfügung haben musste. Ich wäre gerne einverstanden gewesen, dass beide Gesangvereine sich miteinander verbunden oder dass wenigstens die besseren Sänger der „Société chorale“ mit uns in der Kirche gesungen hätten. Aber dieses Zusammenarbeiten der beiden Gesellschaften scheiterte an der Hartnäckigkeit des Dirigenten Hengen Teophil. Zuerst kam er noch in die Proben in den Kirchengesangverein. Nach und nach aber blieb er weg von uns und mit ihm sein Anhang. Er selbst hat einmal eingestanden, er wäre von uns fortgegangen, weil bei dem Kirchengesang er nicht allein Herr und Meister war. Er behauptete nämlich, nicht der Pfarrer, sondern er allein hätte zu bestimmen, wen er mit auf die Empore nehme und welche Gesangstücke vorgetragen würden. Ausserdem hätten jedesmal, wenn er mit seinen Sängern auf der Empore auftreten sollte, die Privatstühle, welche auf der Empore standen und die für teures Geld gepachtet waren, entfernt werden müssen.
Auf diese Art hätte ich mit den Anpächtern dieser Stühle Schwierigkeiten bekommen. So kam es, dass ich nicht gerne der „Société chorale“ die Erlaubnis erteilte, auf der Empore zu singen. Denn gewöhnlich gingen wenigstens 3/4 der Mitglieder dieses Vereins Sonntags nicht in die Kirche. Dann hätten gerade an den höchsten Festtagen die Pächter der Stühle von der Empore herabbleiben müssen und die Mitglieder des Kirchengesangvereins hätten sich geärgert, dass sie, die das ganze Jahr sangen, an diesen Tagen auf die Seite gesetzt würden. Um aber der "Société chorale" zu beweisen, dass ich sie nicht mutwilligerweise ausschalte, hatte ich im Jahre 1925 bei Gelegenheit der Oktave in Luxemburg persönlich und formell diese Gesanggesellschaft eingeladen, mit nach Luxemburg zu gehen, um dort in der Kathedrale für die Pilger aus der Gemeinde Petingen die Wallfahrtsmesse zu singen. Nach mehrfacher Diskussion und Beratung im Versammlungslokal gab man mir zur Antwort, die "Société chorale" gehe nicht mit nach Luxemburg, die Majorität der Mitglieder sei dagegen. Auch in unseren beiden Prozessionen am Fronleichnamstag und am Feste Maria Himmelfahrt gingen sie nicht mit. Dann brannte die Sonne zu heiss. Wenn eines von ihren Mitgliedern oder Ehrenmitgliedern begraben wurde, gingen sie entweder in corpore oder durch Delegation mit auf den Kirchhof. Nach dem Begräbnis sangen sie gewöhnlich auf dem Kirchhof ein Trauerlied für den Verstorbenen. Sowohl die andern Geistlichen als auch ich blieben jedesmal bei dem Grabe ruhig stehen, bis dieses Chorlied fertig war.
Unser Verhältnis bewegte sich in normalen Bahnen bis zu dem Augenblick, wo bei der Jahreswende von 1925-1926 die „Société chorale" den Grubenarbeiter Franz Schmit zu seinem Präsidenten wählte. In der Allerseelenprozession hatte mir dieser Grubenarbeiter unterwegs eine furchtbare Scene bereitet. Ich musste also nun auf die schlimmste Scharfmacherei gefasst sein. Und wirklich! Im Monat Januar erhielt ich von dem Vorstande der "Société chorale" einen eingeschriebenen Brief mit nachstehendem Inhalte:
Ich hätte
1) öffentlich
2) Angriffe gegen sie gemacht, welche
3) einfachhin Hetzereien seien. Dann folgte die Drohung, es sei in meinem Interesse und im Interesse der Religion, diese Hetzereien unterbleiben zu lassen. Dieser Brief war eigenhändig unterschrieben von allen Vorstandsmitgliedern: Schmit Franz, Schmit Nicolas, Hengen Theophil, Hengen Gustav, Wanderscheid Jean, Wark und ein paar anderen deren Namen ich mich momentan nicht erinnere.
Auf dieses Schreiben sandte ich eine rekommandierte Antwort mit der Aufforderung, diese Herren sollten mir bestimmte Tatsachen angeben, wann ich öffentlich Angriffe gegen sie gemacht, welche einfachhin als Hetzereien anzusehen seien. Man wartete vierzehn Tage, da man mir aber keinen einzigen Fall zitieren konnte, wo ich obige mir imputierte Delikte mir zu Schulden kommen liess, begnügte man sich mit der Meldung, ich sollte mein Gewissen erforschen und dann würde ich meine Fehler von selbst finden.
Diese drei Briefe stellte ich dem Herrn Staatsanwalt Mauritius zur Verfügung mit der Bitte, man solle mich gegen diese Drohbriefe in Schutz nehmen. Der mit der Untersuchung beauftragte Gendarm, Herr Kayser, sagte mir eines Tages: "Die Unterzeichner der Briefe haben widerrufen und lassen Sie fürderhin in Ruhe "
Persönlich gab ich mich mit dieser Versicherung zufrieden, aber die Zukunft sollte beweisen, dass diese Äusserung sehr wenig ernst gemeint war. Bei Gelegenheit des bald hierauf am 23. Januar folgenden Geburtstages der Grossherzogin erzählte der Präsident Franz Schmit im Eisenbahnzuge die Mitglieder der "Société chorale" hätten die Absicht, mich des Sonntages, wenn sie zur Grossherzoginsgeburtstagfeier in corpore in die Kirche kämen, mich, wenn ich zum Weihwasserausteilen unten in der Kirche wäre, zu umzingeln und in den Kirchenparamenten vor die Tür zu schleppen. Diese Scandalscene wurde damals dadurch vereitelt, dass ich, vorher gewarnt, nicht bis in den Turm ging das Weihwasser auswerfen.
Aber diese niedrige und wahrhaft böswillige Gesinnung mahnte mich zur Vorsicht. Sie wurde mir Anlass zu bestimmen, dass, um jeden Zusammenstoss zu vermeiden, fürderhin bei den Begräbnissen die Geistlichen vor dem Totenwagen, die Mitglieder der "Société chorale" hinter demselben Aufstellung nehmen sollten. Wegen dieser Verfügung beklagte sich Hengen Leo, der Bruder des Dirigenten, bei dem hochwürdige Herrn Bischof. Nachdem ich dem Herrn Bischof meine Erklärungen abgegeben mit den mich zu dieser Handlungsweise bestimmenden Beweggründen, erklärte der hochwürdige Herr: "Inbetreff der Aufstellung des Gesanges bei Begräbnissen können Sie machen, wie Sie wollen; ich kümmere mich nicht mehr um diese Sache."
Trotz dieses Zugeständnisses, gemäss welchem ich ja den Gesang hinter den Totenwagen hatte können verweisen, liess ich ihn an der gewöhnlichen Stelle im Leichenzuge einherschreiten. Aus dieser Schilderung ergibt sich, dass ich die „Sociéte chorale" nicht mutwilligerweise chikanierte, sondern ihr im Gegenteil viel Entgegenkommen bewies. Trotzdem hetzten ihre Mitglieder beständig gegen den Kirchengesangverein und mich, und es gilt hier der Satz:
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
Ich hätte Leo Hengen, den Organisten, von der Orgel vertrieben.
Leo Hengen war früher Normalschüler. Wegen seines schlechten Betragens war er aus dieser Anstalt entlassen worden. Weil er aber als Lehreraspirant das Orgelspielen gelernt, war er in Lamadelaine der vom Kirchenrate angestellte Organist bis zum 1. Januar 1926.
In der Sitzung vom 1. Januar 1924 war bestimmt worden, er erhalte für Orgelbegleitung an Sonn- und Festtagen in der Messe, Vesper, Abendandacht, am Beettag, Allerseelentag, Barbaratag und ähnlichen Feierlichkeiten in der Woche die Summe von 600 Franken.
Trotzdem Leo Hengen die übernommenen Verpflichtungen genau kannte, hat er es oft unterlassen, denselben nachzukommen. Ohne sich vorher abzumelden, blieb er oft entweder einen ganzen Sonntag oder in der Vesper oder in der Andacht von der Orgel weg.
Auf diese Art wurde jedesmal eine gewisse Störung beim Gottesdienste hervorgerufen. Angesichts dieser Sachlage fasste der Kirchenrat am 1. Januar 1925 einstimmig folgenden Beschluss:
1) Der Organist hat jedesmal, wo er nicht zugegen sein kann, vorher den Pfarrer davon in Kenntnis zu setzen.
2) für den Fall, wo er dies unterlässt, soll ihm von den obenerwähnten 600 Franken für Abwesenheit
a) bei einer Messe 10
b) für Vesper 7,50 Franken und
c) für Andacht 5 Franken abgerechnet werden.
3) wenn bei andern Gottesdiensten, z.B. Begräbnis, Hochzeit usw., Orgelbegleitung gewünscht wird, so ist die Bestellung bei dem Herrn Pfarrer zu machen. Dieser benachrichtigt den Organisten. Wofern dieser verhindert ist, kann auch ein anderer Organist zur Aushilfe herangezogen werden. Als Honorartaxe für eine solche Gelegenheit wird fixiert 15 Franken.
Während des Jahres 1925 blieb Hengen Leo noch Organist. Er fehlte, ohne sich abzumelden, des Sonntags in der Messe mehrmals, in der Vesper ziemlich oft, und in der Andacht fast immer. Am Schlusse des Kirchenjahres ging er zu dem Kirchenpräsidenten, Herrn Joh. Peter Tockert, und gab seine Demission als Organist. Diese Entlassung wurde von dem Kirchenrat einstimmig angenommen, und ich wurde schriftlich von diesen Herren beauftragt, einen ändern Organisten zu suchen.
Aus diesen Verhandlungen ergibt sich, dass
1) nicht ich allein, sondern der ganze Kirchenrat mit dem Benehmen des Leo Hengen unzufrieden war und dass
2)ich ihn nicht fortgeschickt, sondern er eigenmächtig seine Demission gegeben. Sowohl der Kirchenrat als auch ich haben in dieser Sache weiter nichts getan, als des Hengen Leo Willen erfüllen und dessen Demission annehmen. Ich frage mich, wie kommt man nun dazu, mir nachzusagen, ich hätte Hengen Leo von der Orgel vertrieben.? Anstatt mich zu verläumden, sollte er mir dankbar sein. Denn trotzdem er im Jahre 1925 so oft gefehlt, habe ich ihm, nachdem er seine Demission gegeben, sein Jahresgehalt, nämlich die versprochenen 600 Franken, ohne Abzug ausbezahlt. Im Dossier der Kirchenfabrik befindet sich noch jetzt die diesbezügliche Quittung mit seiner eigenhändigen Unterschrift.
Dass dieser Hengen Leo, der frühere Normalschüler und Organist, ein sehr kühner und wenig rücksichtsvoller Mensch ist, beweist folgender Vorfall: Am letzten Ostermontag erlaubte er sich während der Zeit, wo der Geistliche, Herr Adehm aus Rodingen, in Lamadelaine Messe hielt, in die Kirche zu kommen, und ohne Erlaubnis weder des Kirchenrates noch des Pfarrverwalters oder des Pfarrers spielte er, der Bruder des Mörders Emil Hengen, in Lamadelaine die Orgel. Ich glaube, ein solches Benehmen beweist zur Genüge, wessen Geisteskind er ist.
7.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Als Pfarrer Koch während einer Prozession von einigen aufgebrachten Prozessionsteilnehmer angegriffen wurde, verteidigte Emile ihn. Pfarrer Koch hob die Monstranz in der linken Hand hoch und hob seine Rechte als Faust geballt zum Dreinschlagen in die Höhe.
8.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Ende 1926 kam es soweit, dass Hengen Theo den Landesbischof aufsuchte mit der Bitte Pfarrer Koch zu versetzen.
Der Bischof lehnte die Bitte jedoch ab mit den Worten:
“Was soll ich doch nur mit ihm anfangen, setze ich ihn irgendwo anders hin, geht die Komödie dort wieder los.“
9.- Aussagen von der Familie Hengen & pro Hengen Zeugen:
Ende Dezember 1926 stattete Pfarrer Koch Serres Mathilde, Ehefrau Libert Jean, einen Besuch ab und teilte ihr mit, es sei ihm bekannt, dass ihre 14jähriges Töchterchen Libert Germaine, kurz davor von einem grossen Mann hinter die Kirchenhofmauer bestellt wurde und beide hätten dort Geschlechtsverkehr gehabt. Anfangs nannte Pfarrer Koch keinen Namen. Als Libert Mathilde fragte ob es einer der Hengen Brüder gewesen wäre verneinte er dies und nannte den Namen Prott Arthur.
Als Libert Germaine später nach Hause kam stellte Libert Mathilde ihre Tochter zur Rede und diese erklärte unter Weinen, dass die Behauptungen von Pfarrer Koch alle unzutreffend und erlogen seien. Sie hätte weder mit Prott Arthur noch mit einem Hengen Jungen Geschlechtsverkehr gehabt. Libert Mathilde ging nun zusammen mit ihrer Tochter zum Pfarrhaus wo ihre Tochter Germaine Pfarrer Koch Auge in Auge sagte, dass seine Anschuldigungen alle erfunden und erlogen seien. Als Mutter und Tochter nach Hause gehen wollten, sprach die Mutter noch kurz mit Koch’s Schwester Cathérine während Germaine noch im Büro bei Pfarrer Koch weilte.
Libert Mathilde hörte nun wie Pfarrer Koch ihrer Tochter mehrere Ohrfeigen verpasste.
10.- Aussagen vom Petinger Bürgermeister Schinten Marcel:
Das Benehmen des Pfarrers Koch sowie sein Auftreten gegenüber seinen Pfarrkindern wurde auch vom Gemeinderat Petingen sehr beanstandet. Pfarrer Koch habe sich sogar in Angelegenheiten eingemischt, für die nur der Schöffenkollegium oder Gemeinderat zuständig waren. Vom Rat wurde berichtet, dass 90% der Einwohner von Rollingen gegen den Pfarrer seien. Als das Schöffenkollegium einen Ersatzlehrer in der gemischten Schule in Rollingen einstellte, fand Pfarrer Koch es angebracht, diesen Beschluss zu hintergehen und stellte selbst eine Ersatzlehrerin ein. Koch’s Schwester selbst hat sich die Freiheit genommen diese Ersatzlehrerin in der Schule einzuführen, die Kinder nach ihrem Gutdünken zu klassieren und auf ihre Plätze einzuweisen und die Reichen bei die Reichen und die Armen bei die Armen zu setzen. Die Aufregung in Rollingen war dann auch so gross, dass der Bürgermeister Schintgen sich einmischen musste und dem Bischof alles berichten musste was da vorging.
Bürgermeister Schintgen bat um die Versetzung von Koch welcher Bitte der Landesbischof ebenfalls abwies und erklärt:
„Nun habe ich ihn schon von 3 Stellen fortgenommen, wo soll ich denn mit ihm hin.“
Zu bemerken sei, dass dies schon die 2. Bitte an den Bischof war
in der um die Versetzung vom Pfarrer Koch Jean gebeten wurde.
Weitere Vorgeschichten:
1925 kaufte Leo Hengen eine automatische Taschenpistole „Libia“ System Browning Kaliber 6.35 (Bild) mit Dreh- und Drucksicherung von Junker Carel, Invalid, damals wohnhaft zu Rollingen für 25 Franken ab, weil sie ihm in seinen Händen zu gefährlich schien. Leo trug die Waffe nie auf sich sondern, so glaubte er, lag sie immer in der Schublade seines Nachttisches. Leo konnte nicht angeben wieviel Patronen dabei waren und wusste auch nicht, dass Emile die Waffe oft abends an sich nahm oder am Tage im Wald Schiessübungen machte.
Emile hat im November 1926 zum letzten Mal Patronen bei dem Eisenbahn -beamten Paulus aus Rollingen gekauft.
Bei verschiedenen Gelegenheiten zeigte Emile den Revolver seinen Freunden. Nie hat er sich geäussert er trage diesen um den Pfarrer anzugreifen.
Trotz all diesen Zwistigkeiten war es noch immer Emile der sich aus all dem Benehmen des Pfarrers heraushielt. Emile sagte öfters wenn ein Dritter die Rede auf den Pfarrer begann: „Solche Leute muss man ignorieren, das ist das Beste.“ Er sprach nie ein schlechtes Wort über den Pfarrer, noch über dessen Schwester und es war sicherlich nicht die Absicht von Emile den Pfarrer an diesem Abend zu besuchen und auf ihn und seine Schwester zu schiessen.
Nach den Gesangproben der Gesangsgesellschaft, welche im Saal der Gastwirtschaft der Witwe Tockert (Bild), gelegen in der rue de la Providence abgehalten wurden, begab sich Emile oft ins Nachbarhaus zu seinem Freund Flammang Pierre und dessen Ehefrau, geborene Darada Joséphine. Sie hörten dann zusammen Musiksendungen die in der T.S.F. Station von Flammang liefen. Emile sorgte, wie am Tattag auch, immer für vollgeladene Akkumulatoren für diese Station. Emile sprach in deren Wohnung nie über den Pfarrer.
Seit Anfang 1927 belauschte Emile immer öfters die Mädchengesangproben des Pfarrers in der Schule. Er ärgerte sich über das Falschsingen und zeigte sich besorgt wie der Pfarrer immer spätabends alleine mit den Mädchen im Dunkeln zum Abort im Schulhof ging. Dies teilte er seinem Nachbarn Kraus Nicolas und dessen Frau, geborene Reiffers Cathérine, bei seinen fast alltäglichen Abendbesuchen mit.
Am 15. Januar 1927 suchte Emile den amerikanischen Konsul, Herr Phillips, in Luxemburg auf da er nach Amerika auswandern wollte wo einer seiner Onkel wohnte und wo ihm auch ein reicher Amerikaner eine Arbeitsstelle angeboten hatte.
Alle Entlastungszeugen gaben an sie hätten nie Äusserungen oder Drohungen von Emile gegen den Pfarrer Koch oder dessen Schwester gehört obschon beide mit der Familie Hengen auf gespanntem Fusse lebten.
Zitat vom damaligen Petinger Bürgermeister Schintgen Marcel:
Alle ahnten, dass Jemandem der Kragen platzen würde,
dass es aber zu so einer Tat käme hätte nie jemand gedacht.
Dienstag, den 08.02.1927
Am frühen Morgen geht Emile nach Rodingen zur Arbeit wo er seit etwa 6 Monaten als Ankerwickler/Elektriker zusammen mit seinem Bruder Josef im dortigen Hüttenwerk unter Leitung von Lugen Lucien aus Rodingen arbeitet.
16.00 Uhr
Wie jeden Tag endet seine Schicht um 16.00 Uhr und er verlässt das Werk zusammen mit seinem Kollegen Dondelinger Xavier. Emile trägt einen frisch aufgeladenen Akkumulator, der für die T.S.F.- Station seines Freundes Flammang Pierre aus Rollingen bestimmt ist, bei sich. Er hat vor Flammang am Abend nach der Gesangprobe zu besuchen.
16.15 Uhr
An der Schenke Nau François, gelegen zu Rodingen Ecke rue de Longwy – Blobierg (Av. Dr. Gaasch), rufen ihnen Wanderscheid François und Wolf Jean zu, sie sollen zusammen einen Humpen trinken gehen
Beide willigen ein und alle zusammen betreten die Gastwirtschaft Nau-Schoos François wo sich alsbald noch Emile's Bruder Jos, Schmit Nicolas, Lucas François sowie Bodson Gustav einfinden.
Der Wirt setzt sich gegenüber dem gut gelaunten Emile an den Tisch. Es wird rege über Flugzeugtechnik, Musik und Gesang gefachsimpelt. Die Rede kommt auch auf das Konzert welches am folgenden Sonntag, den 13. Februar hier im Hause stattfinden soll und wo die „Société de Chorale de Lamadelaine“, in der auch Emile und sein Bruder Jos Sänger sind, als Hauptattraktion auftreten soll. Diesetwegen so gibt Emile an, soll auch am heutigen Tage in der Gastwirtschaft Tockert in Rollingen eine zusätzliche Gesangprobe stattfinden. Die Plakate (Bild) zu dieser Veranstaltung hat Nau schon in Athus in der Druckerei Daubré drucken lassen und er zeigt sie am Tisch herum.
17.00 Uhr
Dondelinger Xavier und Wanderscheid François verlassen die Runde um sich nach Hause zu begeben. Die Gebrüder Hengen erinnern beide an das angesagte Konzert damit sie dieses am kommenden Sonntag nicht verpassen.
17.15 Uhr
Emile trinkt drei Humpen und verlässt die Gastwirtschaft Nau um sich mit seinen restlichen Kumpels in die Gastwirtschaft Becker Eugène, welche sich ebenfalls am Bahnhof befindet, zu begeben. Er trinkt, während er fröhlich und gelassen ist, noch zwei Humpen. Er singt einige Lieder und der Wirt Becker begleitet ihn am Klavier.
Die zwei Gastwirte sowie die Begleiter von Emile geben alle an, dass an diesem Nachmittage nie die Rede über Pfarrer Koch oder dessen Schwester war und dass nichts auf die Tat am Abend hindeutete.
17.30 Uhr
Pfarrer Koch geht zum Hause Tibessart deren Gastwirtschaft und Bauerbetrieb sich in der unteren Hälfte der Rollinger Grossgasse befindet (Bild – 1. Haus rechts) und bittet die anwesende ledige Schwägerin des Ackeres, Frau Steichen Henriette, sie solle ihre Nichte und ihre Neffen, Hélène, Fernand und Norbert doch bitte mit ihm in die Kirche gehen lassen um dort an einer Orgel- und Gesangsprobe teilzumehmen. Die Kinder sollen die bevorstehende Jahresgedächnisfeier ihres verstorbenen Vaters am Donnerstag, den 10.02.1927 beschönigen.
18.00 Uhr
Tibessart Norbert kommt im Auftrage des Pfarrers nach Hause zurück um seiner Tante, Steichen Henriette, mitzuteilen, es sei der Wunsch des Pfarrers, dass sie in die Kirche komme um die Fortschritte der Kinder am Orgelspiel und Singen zu begutachten. Norbert und Steichen gehen in die Kirche.
Ebenfalls anwesend in der Kirche sind die Kinder Kraus Nathalie, die Gebrüder Risch und Gilson Albert.
18.30 Uhr
Emile ist nicht betrunken, nicht mal angetrunken als er die Gastwirtschaft Becker verlässt und sich zusammen mit seinem Bruder Jos und seinen Kumpanen Lucas, Schmit und Wolf auf den Nachhauseweg macht.
18.50 Uhr
Die Kinder Risch Josef und Marcel welche Küsterarbeiten verrichteten sowie der Orgelbalgdrücker Gilson Albert verlassen die Kirche. Draussen ist es stockdunkel. Wegen der zwei angezündeten Gaslampen, welche vor dem Kirchplatz stehen, sehen sie jedoch die menschenleeren einsehbaren Strassen.
19.00 Uhr
Steichen Henriette begibt sich alleine auf die Strasse um sich zu vergewissern, dass niemand sieht, dass sie um diese Zeit noch mit dem Pfarrer und den Kindern die Kirche verlässt. Laut ihren Angaben begibt sie sich auch den Hügel hinauf zur Schule um nachzuschauen, trifft jedoch niemanden an. Sie kehrt in die Kirche zurück.
Die Arbeitergruppe aus Rodingen kommt vor der Gastwirtschaft Hengen an. Die Gruppe trennt sich von Lucas und Schmit. Die restlichen betreten die Gastwirtschaft Hengen welches ebenfalls das Elternhaus von Emile und Jos ist.
19.10 Uhr
Nachdem Steichen Henriette von ihrer Umschau zurück war verlassen alle die Kirche. Er verabschiedet sich indem er Steichen die Hand gibt und Kraus Nathalie sperrt die Kirchentür hinter sich zu und begibt sich nach Hause, gelegen gegenüber der Kirche.
Steichen, ihre Neffen, ihre Nichte und Kraus drehen sich im Fortgehen von der Kirche noch einmal um und sehen durch den gut beleuchteten Platz den Pfarrer wie er den Hügel hinauf zur Schule geht und alleine hinter dem Schulgiebel verschwindet (Bilder)
Emile trinkt ein kleines Glas Rhum, verabschiedet sich dann und sagt zu Wolf, der ebenfalls Mitglied des Gesangvereines ist: „Bis henno an der Prouf.“ Er verlässt den Raum, legt den aufgeladenen Akkumulator von seinem Freund Flammang Pierre auf den Tisch in die Nebenstube und begibt sich in die Küche um zu Abend zu essen.
19.15 Uhr
Bodson und Wolf verlassen die Schenke Hengen und begeben sich nach Hause.
Weder die Belastungs- noch die Entlastungszeugen geben an sich an dem Abend auf der Strasse gesehen zu haben.
Dienstag, 08.02.1927
19.30 Uhr
Emile verlässt die Wohnung um der Gesangprobe im Hause Tockert beizuwohnen. Bevor er das Haus jedoch verlässt begibt er sich in das Schlafzimmer seines Bruders Leo, nimmt dessen Revolver aus dem Nachttisch, lädt die Waffe durch indem er den Schlitten einmal nach hinten zieht so, dass beim zurückgleiten des Schlittens eine Patrone in den Lauf einfährt. Zusätzlich steckt er noch zwei Ersatzpatronen welche keinen Platz mehr im Ladestreifen haben, in seine Westentasche. Die Waffe ist durchgeladen.
Emile tut dies weil er eine sehr ängstlich Person ist und glaubt, dass er spät nach Hause kommt. Er hat Angst vor den Gegnern seiner Familie, die ihn eventuel angreifen könnten, insbesondere von den in Rollingen bestens bekannten Raufbolden, den Gebrüdern Bettel, welche schon einmal die Fensterscheiben der Gastwirtschaft Hengen eingeschlagen hatten.
Beim Verlassen der Elternwohnung, glaubt er plötzlich es wäre Samstag und der Pfarrer Koch hätte Gesangprobe mit den Dorfmädchen in der Schule. Er verlässt das Elternhaus durch den Eingang der Gastwirtschaft und geht nach rechts in Richtung Kirche und dann wiederum nach rechts den kleinen Hügel hinauf zur Schule. Er tut dies weil er festgestellt hat unter welchen skandalösen Umständen die Gesangsschülerinnen im Dunkeln den Abort, gelegen im Schulhof, also ausserhalb der Schule, besuchen müssen um in Begleitung von Pfarrer Koch ihr Geschäft zu erledigen. Er hat dies auch schon mehrmals im Hause seines Freundes Kraus Nicolas, wo er fast jeden Abend hingeht, bemängelt.
19.40 Uhr
An der Schule angekommen sieht Emile kein Licht im Saal und erinnert sich dann wieder, dass es ja nicht Samstag sondern Dienstag ist. Am Giebel der Schulhausfront stehend, kommt Koch aus dem Wege, gelegen zwischen Schule und dem Hause Hengen heraus. Pfarrer Koch fragt: „ Wat mess du hei?“ Emile daraufhin: „Wat macht daer dann hei?“ Pfarrer Koch gibt an, dass er noch mit Emile reden müsse und er solle ihm ins Pfarrhaus folgen, was Emile auch tut.
Beim Eintreten der beiden ins Pfarrhaus will die Köchin/Schwester von Pfarrer Koch, Fräulein Cathérine Koch, beide alleine lassen, doch Emile soll gesagt haben: „Bleift rouheg hei Joffer Koch, et betreft och iech.“ Sie nimmt daraufhin Platz neben dem Schreibtisch mit dem Rücken zum Wandschrank hin. Pfarrer Koch ergreift das Wort und fragt Emile, dem er einen Platz auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch angeboten hat, woher die Zwistigkeiten zwischen ihm und der Familie Hengen stammen und Emile gibt an es sei wohl wegen seinen Brüdern so gekommen, Theo der den Kirchenchor leitete und Leo der Organist war. Pfarrer Koch habe beide gegen den Kopf gestossen und somit hätten sie ihre Ämter 1925 abgelegt.
Pfarrer Koch erklärt Emile ER sei schliesslich die Autorität im Dorfe und nicht die Familie Hengen. Er würde alles im Dorf und in der Gemeinde durchsetzen, auch wenn es 2 Jahre dauern würde. Er gibt an, dass sich bis jetzt 4 Personen als Organist gemeldet haben und diese ab Herbst übungshalber eingesetzt werden. Auch habe er vorher in der Kirche Tibessart Hélène und deren Bruder Fernand im Orgelspiel unterrichtet, damit sie morgen Mittwoch (09.02.1927) bei ihrem Familienjahrgedächnis die Orgel spielen könnten. Koch sagt dies, um Emile zu ärgern da die Gastwirtschaft Tibessart, gelegen in der unteren Hälfte der Grossgasse in Konkurrenz zu der von Hengen steht. Um die Familie Hengen zu ärgern hält er auch diesetwegen die Versammlungen seiner Pfarrvereine dort im Saale ab.
Emile wirft Koch vor er habe keine Moral und keine Religion, es sei ein Skandal wie er die Mädchen in der Dunkelheit herumlaufen liesse um mit ihm zusammen auf den Abort während des Gesangunterrichtes zu gehen.
21.00 Uhr
Der 52jährige Hüttenarbeiter Wark Jean-Pierre wohnhaft in den Kasernenhäusern der Bahnhofsstrasse Nr 55, kommt zum Pfarrhaus. Seine Tochter ist verstorben und er will dies Pfarrer Koch in würdiger Form mitteilen und über das bevorstehende Begräbnis reden. Er klingelt an der Haustür des Pfarrhauses und Koch Cathérine öffnet die Tür. Wark erklärt dieser sein Anliegen in kurzen Worten. Koch Cathérine gibt Wark zu verstehen, dass der Pfarrer wichtigen Besuch habe, werde aber ihrem Bruder das Anliegen sofort vorbringen. Fräulein Koch begibt sich zurück ins Büro aus welchem ein lebhaftes Gespräch zu hören ist, um ihrem Bruder zu berichten.
Koch kommt aus dem Büro in den Hausflur und beredet im Schnelldurchgang das Anliegen von Wark. Entschuldigend für seine Eile erklärt Koch nur, dass er mit seinem Besuch eine sehr wichtige Aussprache habe.
Um wen es sich beim Besuch handelt wird Wark von keinem der Kochgeschwister mitgeteilt, er erkennt auch nicht die Stimme des Besuchers, aber es ging weiterhin laut her im Büro, diesmal zwischen Fräulein Koch und dem ihm Unbekannten als der Pfarrer bei Wark im Flur war.
Nachdem Pfarrer Koch Wark regelrecht abgefertigt hat begibt dieser sich auf dem direkten Weg nach Hause ohne irgend etwas von der danach geschehenen Tat mitzubekommen.
Pfarrer Koch kehrt zurück und setzt sich wieder in seinen Lehnstuhl.
21.10 Uhr
Koch zeigt Emile einen Brief vom Februar 1927 indem Herr Gaasch aus Wasserbillig den Pfarrer Koch bittet sich wenn möglich mit seiner Frau in Luxemburg-Stadt zu treffen. Gaasch schickt auch Grüsse von ihm und seiner Frau an Fräulein Koch Cathérine.
Koch zeigt Emile diesen Brief um zu zeigen wieviel Einfluss er in Luxemburg habe.
(Bild)
Text:
Wasserbillig, le 4 février 1927.
Monsieur le Curé,
Ma femme désire avoir un entretien avec vous lors d'un de vos prochains voyages à Luxembourg et elle vous serait bien obligée de vouloir lui fixer un rendez-vous si vous n'y voyez pas d'inconvéniant.
Entretemps, veuillez recevoir, Monsieur Koch, nos très respectueuses salutations.
Em. Gaasch
Chef de station
Les meilleures compliments pour Melle Koch de la part de ma femme et de moi.
21.20 Uhr
Die Streitgespräche gehen weiter und Koch Cathérine mischt sich immer mehr in die Diskussion ein die ihretwegen immer heftiger wird.
Als der Pfarrer mit der Faust auf den Tisch schlägt und angibt er wisse auch, und er habe sogar Zeugen dafür, dass Emile mit der 14jährigen Libert Germaine Geschlechtsverkehr hatte, dreht Emile durch, zieht den Revolver, schreit
„Halt op mat denen Ligen, et gaet elo duer“
und schiesst auf Koch.
Koch hält seine Arme vors Gesicht und der Schuss trifft ihn an der unteren Stirn. Emile feuert zugleich einen zweiten Schuss auf ihn ab und trifft ihn am Hals.
Koch‘s Schwester stürzt sich nun an ihrem Bruder vorbei in die Fensterecke neben dem Bücherschrank. Emile steht auf, stellt sich an die Schreibtischecke und schiesst über Koch hinweg zwei Mal auf Fräulein Koch während sie sich seitlich zu im dreht. Sie wird dabei höchstwahrscheinlich einmal in die rechte Unterleibseite und einmal am rechten Oberarm getroffen.
Der Pfarrer sitzt noch immer in seinem Lehnstuhl, den Kopf in seinen Armen verschlungen auf dem Schreibtisch liegend. Emile gibt noch einen Schuss auf ihn ab, traf ihn höchstwahrscheinlich wieder am Hals und flüchtet durch den Gang die Treppen hinunter bis zur Haustür. Die Geschwister Koch raufen sich zusammen und folgen ihm. Unter vorzeigen der Waffe fordert er beide auf ins Büro zurückzugehen was der Pfarrer auch tut, dessen Schwester jedoch läuft in Richtung Küche und zur Gartentür hinaus.
Emile verläst das Haus und läuft nach links in Richtung Schule. Dabei soll der Pfarrer, laut dessen Aussagen, aus dem Bürofenster um Hilfe schreien haben und eine Frau soll geschrien haben: „Hellef ass ennerwé“ . Diese Frau wurde jedoch nie ermittelt. Da Emile glaubt keine Patronen mehr in dem Revolver zu haben nimmt er die zwei Patronen die er in der Brusttasche seiner Weste trägt und lädt nach.
Emile ist wie von Sinnen als er die Hilfeschreie, wie er angibt aus dem Garten kommend hört, läuft zurück ins Haus, durch den Hausflur und die offenstehende Gartentüre in den Garten, gelegen seitlich des Pfarrhauses.
Der Pfarrer steht jetzt am Zaun, welcher seinen Garten umgibt, neben der sich hier befindlichen Hühnerpferche am Kirschbaum und ruft laut schreiend in Richtung seines direkten Nachbarn, dem Haus Schrank Hermann, um Hilfe.
Emile geht auf ihn zu und aus einer Entfernung von 2-3 Metern gibt er weitere 2 Schüsse auf ihn ab. Wohin er ihn trifft weiss er nicht da es im Garten stockdunkel ist. Koch gab nur einen Ohh-ton von sich. Die Schüsse trafen den Pfarrer höchstwahrscheinlich am Oberarm und in der Bauchgegend. Der Köchin verpasst er in der Dunkelheit auch noch einen Schuss, höhstwahrscheinlich in die rechte Lungenseite, worauf diese auf einem Holzklotz im Garten zusammenbricht und stirbt.
Emile läuft über das Anwesen Lippert, Wiese oberhalb des Pfarrhauses, nach Hause. Zu Hause angekommen trifft er auf seine Mutter. Diese sieht, dass er total durch den Wind ist und sagt zu ihm er solle sich zu Bett begeben. Ob er ihr das Geschehene erzählt hat war nicht rauszufinden. Er versteckt den Revolver in seinem Schlafzimmer und begibt sich zu Bett.
Pfarrer Koch geht zu seiner Schwester, die vor ihm zusammengebrochen war, und sagt zu ihr sie solle ans Sterben denken, gibt ihr die Generalabsolution und geht ins Haus zurück.
21.20 Uhr
Paulus-Peffer Maria verlässt das Mehrfamilienhaus Thiry Jean wo sie zu „Uchten“ war um sich nach Hause zu begeben. Das Haus Thiry lag in der Bahnhofsstrasse neben dem sich dort befindlichen Waschbrunnen. Nach etwa 30 Metern, als sie in Höhe des Waschbrunnens geht, hört sie drei Schüsse und Hilfeschreie aus dem Garten des Pfarrers kommend. Sie glaubt an Einbrecher und läuft zum Hause Thiry zurück um Hilfe zu holen. Thiry kommt mit auf die Strasse, da er jedoch aus Altersgründen nicht mehr gut zu Fuss ist, sagt er zu Paulus sie solle Hilfe bei der Familie Kraus holen. Auch Krier-Weyland Anna und Mores-Niederprüm Mina, welche ebenfalls im Hause Thiry wohnen, hören die drei Schüsse und die Hilferufe des Pfarrers.
Um dieselbe Zeit weilt die Familie Schrank Hermann in ihrer Wohnstube. Ihr Haus gelegen direkt unterhalb des Pfarrhauses ist die Nr 7 in der Bahnhofstrasse. Als sie drei rasch aufeinanderfolgende Schüsse hören treten alle vor die Haustür um nachzusehen was passiert ist. Draussen hören sie die Hilferufe des Pfarrers “Hermann, Hermann hellef maer dach“ und das Familienoberhaupt Hermann fordert seine Söhne Bernhard und Nicolas auf, sie sollen zum Pfarrhaus laufen und wenn möglich dem Pfarrer Hilfe leisten. Paulus-Peffer Maria und Thiry Jean kommen nun beim Hause Schrank an um diese um Hilfe zu bitten, die Schrank Söhne sind aber schon unterwegs.
Die Brüder laufen zum Pfarrhaus wo sie im Hausflur Pfarrer Koch vorfinden. Er blutet an mehreren Stellen am Kopfe und an den Händen. Sie fragen Koch was denn eigentlich geschehen sei, woraufhin dieser in kurzen Worten das Geschehene schildert. Hieraufhin begeben sie sich in den Garten, wo sie unweit der hinteren Haustüre entfernt Koch Cathérine in einer grossen Blutlache, mit dem Gesicht nach unten auf einen Holzklotz liegend, vorfinden. Sie stellen fest, dass Fräulein Koch Cathérine nicht mehr zu helfen ist. Sie ist tot.
Während dieser Zeit schleppt sich Pfarrer Koch die Haustreppen hinauf in sein Schlafzimmer weil ihm kalt ist. Er entledigt sich seiner Kleider und legt sich in sein Bett. Die Gebrüder Schrank gehen zurück ins Haus, entlang der sich im Garten und Hausflur befindlichen starken Blutspuren ins Büro, wo sie auch verschiedene Möbel besonders den Lehnstuhl mit nicht unbedeutenden Blutlachen vorfinden.
Sie gehen nun auf das 1. Stockwerk wo ihnen der an mehreren Stellen am Hals blutende Pfarrer im Bett liegend röchelnd mitteilt, dass es sich bei dem Täter um Hengen Emile handele und, dass sie weitere Hilfe holen sollen, auch die Gendarmerie und einen Arzt.
Schrank Nicolas läuft nun zu Kraus Henri wohnhaft Grossgasse 3 und dem Ackerer und früheren Gemeindeschöffe Bosseler Jean-Pierre, wohnhaft ebenfalls in der Grosstrasse und informiert sie über das Geschehene.
Nach dem Eintreffen von Kraus und Bosseler bittet Koch alle, sie sollen seine Schwester vom Garten ins Haus holen, was diese auch taten. Sie legen die tote Köchin, welche aus Mund und Ohren blutete, in der Küche des Erdgeschosses mit dem Rücken auf den hier stehenden Tisch nieder.
21.45 Uhr
Schrank Bernard läuft von Rollingen aus über die Bahnhofstrasse nach Rodingen zum Hause des Dr. Jean Gaasch gelegen in der Longkischerstrasse und anschliessend von dort aus zur Gendarmeriestation Rodingen, gelegen unweit des Hauses Dr. Jean Gaasch.
(Kurze Erklärung seitens des Autors: Man hätte ja auch telefonieren können aber das einzige Telefon in Rollingen stand in der Gastwirtschaft der Eltern von Emile)
22.10 Uhr
Gegen 22.10 Uhr hat Schrank nun alle über das Geschehene informiert und so fahren der kurz vor seiner Pension stehende Wachtmeister Walser August zusammen mit seinen Kollegen Kaiser Jean-Pierre, Hostert Edouard und Schlesser Edouard alle Gendarmen der Station Rodingen sowie Dr. Jean Gaasch und Schrank zum Tatort wo sie gegen 22.30 Uhr eintreffen.
Dr. Jean Gaasch untersucht den Pfarrer sofort und stellt fest, dass dieser folgende Schusswunden erlitt:
· eine an der unteren Stirn
· zwei am Hals, wovon eine lebengefährlich
· eine am rechten Oberarm und
· eine in der rechten unteren Bauchgegend.
Den Gendarmen teilt Dr. Jean Gaasch mit, dass Pfarrer Koch in Lebensgefahr schwebe und sofort ins Petinger Spital verbracht werden müsse. Wann Koch abtransportiert wurde konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
Folgt die Untersuchung der toten Koch Cathérine. Folgende Einschüsse stellt Dr. Gaasch fest:
· ein an der rechten Schulter, nicht tödlich
· einen Bauchschuss, tödlich
· einen Lungenschuss, tödlich
Da Pfarrer Koch ansprechbar ist, befragen die Gendarmen ihn über das Geschehene. Koch gibt auch ihnen an, dass es sich bei dem Täter um Hengen Emile handele.
23.00 Uhr
Die Gendarmen begeben sich zu der Gastwirtschaft Hengen wo der vom Pfarrer Koch der Tat Beschuldigte Emile Hengen bei seinen Eltern wohnt.
Emile, aus dem Bett geholt, streitet alles ab und erzählt den Gendarmen einen teils richtigen, teils falschen Tagesablauf. Er bestreitet das Tragen einer verbotenen Waffe sowie den Besuch bei den Geschwistern Koch.
Emile wird zum Pfarrhaus mitgenommen und mit der Leiche von Koch Cathérine konfrontiert. In die Enge getrieben gesteht er, dass er mit einem Revolver auf die Geschwister Koch geschossen habe. Er gibt an keine Angaben mehr machen zu wollen. Die Gendarmen informieren die Staatsanwaltschaft Luxemburg woraufhin diese die Verhaftung von Emile anordnet. Er wird in einer Zelle der Rodinger Gendarmerie eingesperrt.
Der Tatort wird weiter von den Gendarmen in Augenschein genommen und es werden fünf Patronenhülsen und ein Mantelgeschoss gefunden. Diese sowie die Kleider der toten Koch Cathérine und die Waffe welche Hengen in seinem Schlazimmer versteckt hat werden mit Beschlag belegt.
Mittwoch Nachmittag, 09. Februar 1927
Der Untersuchungsrichter Pierre Schaack und sein Gerichtshilfsschreiber Eyschen Robert sowie ein Beamter der Strafanstalten Abteilung Erkennungs-Dienst, alle aus Luxemburg-Stadt, kommen nach Rollingen um mit den Untersuchungen zu beginnen.
Emile und Pfarrer Koch werden von dem Untersuchungsrichter einzel und zusammen im Petinger Spital verhört, wo Koch jetzt Patient ist. Emile wurde von den Rodinger Gendarmen dorthin gebracht.
Der Beamte der Strafanstalten Abteilung Erkennungs-Dienst macht sieben Tatfotos:
1. Büro des Pfarrers
2. das Pfarrhaus
3. Garten mit der Blutspurrichtung
4. Gartentür mit Holzklotz
5. wie Foto 3 & 4 aus entgegengesetzter Richtung
6. der Holzklotz
7. nackte Leiche von Koch Cathérine mit Einschüssen, auf dem Küchentisch liegend.
(Aus piätätsgründen habe ich dieses Foto nicht veröffentlicht)
17.00 Uhr
Auf Anordnung des Untersuchungsrichter Schaack Pierre beschlagnahmen Wachtmeister Walser August sowie der Gendarm Kaiser Jean-Pierre weitere Gegenstände am Tatort:
· der Brief von Herrn Gaasch aus Wasserbillig welcher an Pfarrer Koch adressiert ist
· das falsche Gebiss der erschossenen Koch Cathérine
· ein Holzklotz auf dem Koch Cathérine im Garten zu Tode kam
· ein Mantelgeschoss welche die Ärzte Dr. Knauf aus Ech/Alzette und Dr. Jean Gaasch dem Leichnahm entnahmen.
09.02.1927 - 11.03.1927
In dieser Zeit werden mehrere Verhöre vom Untersuchungsrichters Schaack Pierre in Luxemburg-Stadt, wo Emile mittlerweile in Untersuchungshaft weilt, und bei Rollinger Zeugen durchgeführt. Diese Aussagen sind alle von mir in den bisherigen und nachfolgenden Schilderungen eingebunden.
26.02.1927
Gesuch von Emile, verfasst in der Strafanstalt Luxemburg an den Direktor derselben. Hier die Abschrift des original handgeschriebenen Briefes (Bilder).
Luxemburg, den 26 februar 1927
Hochgeehrter Herr Director!
Andurch nehme ich, Hengen Emile, Lamadelaine, hier inhaftiert, mir die erfurchtvolle Freiheit, an Sie hochgeehrter Herrn Director ein Gesuch einzureichen.
Mit meiner grösster Hochachtung, Euch versichernd, bitte ich Sie höflichst Herrn Director, ob Sie wollen die Güte haben, mir die Erlaubnis zu geben, ob ich an jedem Tag an den Erholungsgängen im Freien theilnehmen kann, zwecks Gesundheitsrücksichten, sowie ob Sie mir gestatten wollen, dass ich kann Cigaretten im Freien rauchen, wobei nebenbei bemerkt, ich fast Nichtraucher bin.
Aus meiner katholischen Erziehung bis dato herangewachsen, wär mein sehnlichster Wunsch, Sie hochgeehrter Herrn Director noch einmal zu bitten, ob ich an den verschiedenen Messen u. Vespern theilnehmen könnte.
Offen gesagt, will ich, euer Sträfling, mich meiner Schuld leichter machen, indem ich mich mit meinem lieben Gott, durch Gebet u. Empfang der hl. Sacramente zu versöhnen suche was mir um ein Leichteres würde sein, durch Anhören der verschiedenen Gottesdiensten. Obschon hier in meiner Zelle eine schwere Schuld mich drückt, will ich trotzdem bekennen, dass ich im Herzen noch nicht so schlecht bin und darum will meine Religionspflichten treu erfüllen.
Euch, geehrter Herr Director, suche ich meinen Dank im Voraus auszudrücken, indem ich euch immer grossen Fleiss und Gehorsam versichere.
In der Hoffnung, eine günstige Antwort von Ihnen, hochgeehrter Herr Director, zu erhalten, dankt Ihnen im Voraus mit einem ehrfurchtsvollen Gruss
Euer, Euch unterthäurigster
Sträfling
Hengen Emile
Zelle 26.
Die Verteidiger von Emile, Herr J-P Probst und Herr Hubert Loutsch, beide - avocat-avoué - aus Luxemburg-Stadt, schicken einen amtlichen Brief an die Staatsanwaltschaft Luxemburg mit der Bitte die Staatsanwaltschaft solle doch veranlassen, dass in Rollingen weitere Untersuchungen vorgenommen werden betreffend das Benehmen des Pfarrers Koch gegenüber seinen Pfarreibewohnern, dies um Zeugen zu finden welche zu Gunsten ihres Mandanten Emile aussagen würden. (Bild)
14.03.1927
Die Staatsanwaltschaft beauftragt daraufhin den Untersuchungsrichter Schaack Pierre mit weiteren Untersuchungen und so wird Pfarrer Koch über sein Vorleben verhört.
Er gibt an:
dass er 1901 zum Priester geweit wurde,
Kaplan in Reckingen-Mersch war von 1901 - 1910,
Pfarrer in Marnach war von 1910 - 1915,
Pfarrer in Simmern war vom 1915 - 1918,
Pfarrer in Oberwampach war von 1918 - 1923,
und zuletzt seit dem 05.09.1923 Pfarrer in Rollingen ist.
In Rollingen habe er das beste Einvernehmen mit der Bevölkerung und annährend 400 Personen hätten ihn schon im Petinger Spital besucht.
Pfarrer Koch weiss nun, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn in die Wege geleitet hat und schreibt einen fast unlesbaren Brief an die Staatsanwaltschaft in dem er ebenfalls bittet, dass Zeugen zu seinen Gunsten verhört werden sollen.
Er schreibt nun seine erwähnten vorherigen Pfarreien an damit diese ihm ein gutes Leumund geben. Die dementsprechenden Briefe konnten nicht gefunden werden, jedoch der von Pfarrer Koch selbst mit Schreibmaschine verfasste 18 seitige Leumundsbericht welcher Angaben betreffend die Vorgeschichte der Tat in Rollingen beinhaltet, liegen vor. Pfarrer Koch muss diesen Bericht in den Monaten April-Juni 1927 verfasst haben und der Staatsanwaltschaft übermacht haben.
Hier Auszüge und zwar die Leumundsberichte der Pfarreien in denen Pfarrer Koch tätig war:
1) Leumundszeugnis von Reckingen bei Mersch.
Die Unterzeichneten Einwohner von Reckingen bei Mersch bescheinigen hiermit, dass der hochwürdige Herr Johann Koch während der neun Jahre, wo er hier als Kaplan wirkte (von 1901 -1910), mit der Bevölkerung im besten Einvernehmen stand. Seine Pflichten als Geistlicher erfüllte er treu und pünklich und machte allen Leuten, wo und wie er nur konnte, viele Gefälligkeiten. Auf diese Art kam es, dass das ganze Dorf demselben vor seinem Abschied eine herzliche Ovation darbrachte und ihm bei dieser Gelegenheit eine prachtvolle Wanduhr schenkte.
Trotzdem Herr Koch jetzt schon siebenzehn Jahre das Dorf verlassen, bewahren ihm alle Einwohner das beste Andenken.
Reckingen (Mersch), den 22 März 1927
Folgen etwa 80 Unterschriften:
2) Leumundszeugnis der Gemeinderatsmitglieder von Mersch (1901-1910 ).
Les soussignés, anciens membres du Conseil communal de la commune de Mersch, certifient:
Que Monsieur l'abbé Jean Koch a résidé comme vicaire à Reckange-lez-Mersch de 1901—1910 où il a exercé ses fonctions sacerdotales, alors qu'en même temps et pendant une série d'années il était chargé de la binaison dans la localité de Rollingen-lez-Mersch. Que pendant tout son séjour dans la commune de Mersch Monsieur l'abbé Koch a eu les relations les plus courtoises avec la population des villages deservis par lui, et l'Administration de la commune de Mersch n'a jamais eu la moindre difficulté avec lui. Que Monsieur l'abbé Koch avait surtout un coeur bienveillant pour la classe des travailleurs et était heureux de pouvoir rendre service et soulager les souffrances des pauvres.
Mersch, le 4 avril 1927.
G. Wilhelmy, ancien bourgmestre,
Arendt Ch., M. Harpes, E. Monen, Nic. Laux, Nic. Kraus.
3) Leumundszeugnis der Einwohner von Marnach und Roder. (1910-1915).
Marnach, den 5. April 1927. Die Einwohner der Pfarrei Marnach bescheinigen ihrem früheren Seelsorger Herrn Joh. Koch, welcher von 1910-1915 bei uns war als Seelsorger, dass gerade in dieser Zeit viele Schwierigkeiten hier zu überwinden waren auf allen Gebieten, und dass Herr Koch, obschon er hie und da mit einem oder dem andern in
Meinungsverschiedenheiten kam, immer einen versöhnlichen Charakter bewies sowohl in seiner Pfarrverwaltung als im Privatleben. Grade in dieser Zeit wurde das neue Pfarrhaus gebaut, wo Herr Koch viele Dienste leistete und auch persönliche Opfer brachte.
Grade in dieser Zeit war der Kriegsanfang, wo bei uns, wie überall, die Gemüter sehr in Aufregung gebracht waren und Herr Koch sich immer bemühte, nach bestem Wissen und Können die Aufregungen beizulegen. Klagte jemand ihm sein Leid auf sozialem Gebiete, so war er gleich zu aller und jeglicher Hilfe bereit. Mancher von hier sucht ihn heute noch auf, um in Verdriesslichkeiten Hilfe zu finden.
Folgen 171 die Unterschriften:
4) Leumundszeugnis des Schöffenrates von Simmern (1915- 1918).
Simmern, den 20. März 1927. Das Schöffenkollegium der Gemeinde Simmern bescheinigt andurch, dass Herr Johann Koch als Pfarrer von Simmern stets in Eintracht und Zufriedenheit mit seinen Pfarrkindern lebte und amtierte, dass er sich niemals etwas zu schulden kommen lies, was gegen den Anstand verstossen hätte. Seine Amtspflichten standen ihm über alles. Den Armen war er stets ein milder und trösternder lies spendender Tröster, den Betrübten der beste Ratgeber. In allen Hinsichten können wir Herr Koch nur Dank zollen für die grossen Dienste, die er der Pfarrei Simmern leistete, für alle die Mühen und Sorgen, welche er für seine Pfarrkinder aufbrachte. Dieses bestätigen von Herzen die Mitglieder des Schöffenkollegiums der Gemeinde Simmern.
gezeichnet Marner, Strauss, Eilenbecker
5) Leumundszüggnis von dem Gemeinderate von Oberwampach (1918-1923).
Erklärung.
Die Unterzeichneten Mitglieder des Gemeinderates von Oberwampach erklären andurch, dass der Pfarrer Herr Koch während der Zeit, wo er Pfarrer in Oberwampach war, weit entfernt mit dem Gemeinderate eine Schwierigkeit zu haben, stets mit ihm und seinen Mitgliedern im besten Einvernehmen stand.
Oberwampach, den 24. März 1927.
(gez.) Heintz, J. Theisen, Jean Eisener, Pletschette, Nic. Haas, Jean Collignon, Sekretär.
17.03.1927
Der Untersuchungsrichter Pierre Schaack beauftragt den Nervenarzt Dr. Ernest Wagner aus Luxemburg damit, dass er Emile auf seinen körperlichen und geistigen Zustand untersuche.
23.04.1927
In einem 10 Seitigen Bericht an den Untersuchungsrichter erklärt der Nervenarzt Dr. Ernest Wagner Emile sei auf keinen Fall geisteskrank und sei auch kein Psychopath. Da Emile 5 Humpen am Nachmittag der Tat getrunken habe, was ja ungefähr 2 Liter Bier entspreche, sowie einen kleinen Rhum am Abend könnte er leicht angetrunken und damit leicht reizbar gewesen sein.
24.05.1927
Die Gendarmeriebrigade Rodingen erhält einen handgeschriebenen Eilbrief seitens des Bezirksgericht in Luxemburg – Untersuchungs-Kammer – indem ihr mitgeteilt wird, dass die Kammer zusammen mit einem Beamten der Verwaltung der Strafanstalten zu Luxemburg – Abteilung: Erkennungs-Dienst am 27.05.1927 um 18.00 Uhr in Rollingen vorstellig werde und nachstehenden 11 Zeugen sollen sich in der Rollinger Schule bereithalten. Zu diesem Zweck soll die Gendarmerie eine Saalreservierung bei der Gemeinde Petingen tätigen.
27.05.1927
Um 18.00 Uhr sind 10 Zeugen erschienen, der 11. Lucas François kam erst nach seiner Arbeit um 18.30 Uhr. Alle, ausser die unter 10 Jahre alten Kinder werden vom Untersuchungsrichter Pierre Schaack vereidigt. Laut Zeugenverhörbericht verrechnet der Untersuchungsrichter 3 Franken pro Zeugenaussage. Desweiteren werden an diesem Tag auch weitere Fotos in der Tatumgebung geschossen.
Vorort waren auch Emile und Pfarrer Koch. (Beide sind auf Foto 2 zusammen zu sehen)
Die Kinder Norbert, Helena und Fernand Tibessart sowie Steichen Henriette bleiben bei ihren Aussagen und zeigen den Beamten den Standort vor der Kirche von wo aus sie dem Pfarrer nachgeschaut haben als dieser alleine in Richtung Schule ging.
Kraus Nathalie gibt an, dass sie von der Kirche zu ihrem gegenüberliegenden Elternhause gelaufen sei um die Kirchenschlüssel zu holen. Anschliessend, nachdem alle die Kirche verlassen hatten, hat sie diese zugesperrt. Sie gibt auch an Pfarrer Koch beim Nachhausegehen gesehen zu haben und zwar alleine.
Dies alles soll gegen 19.10 Uhr gewesen sein.
Kreuzverhör: Emile - Koch
Auf diese Aussagen anwortet Emile, dass er bei seinen schon von Anfang an gemachten Aussagen bleibe, dass er Pfarrer getroffen habe als dieser aus dem Weg zwischen Schule und Hengen herauskam.
Pfarrer Koch gibt nun an, dass er in der Kirche auf die Uhr gesehen habe. Es war 19.05-19.10 als er den Anwesenden erklärte, dass es nach 19.00 Uhr wäre und die Probe vorbei sei. Er gibt an Emile nicht beim Nachhausegehen gesehen zu haben, er wäre direkt und alleine zu seiner Wohnung gegangen wo er sich mit seiner Schwester Cathérine ins Büro setzte.
Emile erklärte er zeige wo der Pfarrer herkommen sei und zwar aus dem Weg gelegen zwischen dem Schulgebäude und dem Anwesen Hengen. Ob es hell oder Mondschein war konnte er nicht angeben.
Wolf Jean
Wolf gibt an, dass Emile im vergangegen Jahr fast immer einen Revolver trug, auch wenn sie in den Wald spazieren gingen. Dort schoss Emile dann auf Raben. Den Tatnachmittag bestätigte er, dass Emile ihn an die anstehende Gesangprobe erinnerte. Emile habe sich nie geäussert, dass er dem Pfarrer etwas antun wolle. Emile hatte Wolf aber vor langer Zeit mal aufgefordert mit anzuhören wie schlecht die Gesangproben vom Pfarrer verliefen.
Lucas François
Lucas gibt an, dass sein Kamerad Emile den Revolver immer bei sich trug, er ihn aber nie schiessen gesehen habe. Emile habe nie schlecht über Pfarrer Koch gesprochen sondern hätte sich entfernt wenn über den Pfarrer geredet wurde. Er konnte keine Angaben über die Mordscene machen.
Kemp Alex
Kemp gab an viel mit Emile zu verkehren. Emile trage immer den Revolver bei sich, er habe ihn jedoch noch nie damit schiessen sehen. Desweiteren gab er an, dass Emile nie schlecht über den Pfarrer redete oder Drohungen gegen ihn ausgesprochen habe.
Wirtz Victor
Wirtz gibt an, dass Emile im letzten Jahr immer den Revolver bei sich trug und, dass er gemeinsam mit ihm auch mal auf dem Berg herumgeschossen habe. Desweiteren gab er an, dass Emile nie schlecht über den Pfarrer redete oder Drohungen gegen ihn ausgesprochen habe.
Paulus Jos
Er gibt an der Nachbar von Emile zu sein, mit ihm verschiedene Male spazieren gewesen zu sein, Schiessübungen auf dem Berg getätigt zu haben und ihm manchmal Patronen geliefert zu haben. Desweiteren gab er an, dass Emile nie schlecht über den Pfarrer redete oder Drohungen gegen ihn ausgesprochen habe. Am Tattag habe er Emile nicht gesehen.
Der Beamte des Erkennungsdienstes schoss bei dieser Gelegenheit 5 Aufnahmen um die Umgebung der Örtlichkeiten zu dokumentieren.
Abbildung 1
Ziffer 1 Pfarrhaus
Ziffer 2 das alte Schulgebäude
Ziffer 3 den Schulhof
Von der Vorderseite des Schulgebäudes führt ein Weg an der rechten Giebelseite des Schulgebäudes, an dem Schulhofe vorbei zum Pfarrhause um am Vorhofe des Pfarrhauses zu enden.
Abbildung 2
Teilansicht der Vorderseite des Schulgebäudes vorbei zum Pfarrhause führenden Weg wie schon in Abbildung 1 angedeutet, sowie die Stellung einiger Zeugen bezw. die Bewegung des Täters und des Opfers.
Bei den beieinanderstehenden Personen handelt es sich um Emile und Koch.
Abbildung 3
Ziffer 1 Pfarrer Koch.
Ziffer 1 & 2 Ansicht der Stellung einiger Zeugen
Ziffer 3 bezeichnet den oberen Giebel des Schulgebäudes
Abbildung 4
Ziffer 1 & 2 Ansicht der Stellung einiger Zeugen aufgenommen aus entgegengesetzter Richtung wie Abbildung 3.
Ziffer 2: Die Tibessart Kinder, ihre Tante Steichen Henriette & Kraus
Nathalie
Abbildung 5
Selbe Aufnahme wie die 4 jedoch mittels Weitwinkelobjektiv.
Ziffer 1 & 2 bezeichnen die Stellung von Zeugen
Ziffer 3 den Kirchturm
Ziffer 4 & 5 Strassenlaternen die an der Mündung zweier Strassen stehen.
01.06.1927
Der Staatsanwalt verfasst die Anklage gegen Emile und verschickt diese an die Ratskammer Luxemburg.
02.06.1927
Die Ratskammer schickt ihr Protokoll an den Generalstaatsanwalt Herr Nocké vom Obergerichthof. Emile der bis dahin in Untersuchungshaft war wird am Leibe ergriffen um in das Justizarresthaus abgeführt zu werden. Emile erhält einen Leibesverhaftsbefehl und ist ab jetzt des Mordes, Mordversuch usw. angeklagt.
In der Strafanstalt wird das folgende Signalement seitens dem Erkennungsdienst von Emile niedergeschrieben:
Geburt: Rollingen (Lamadelaine) am 26.10.1903.
Eltern: Jean-Pierre Hengen und Joséphine Franck.
Profession: Elektriker.
Wohnort: Rollingen (Lamadelaine).
Religion: Katholisch.
Ehehälfte: Ledig.
Grösse: 1 M, 664.
Haare: mitel blond.
Augenbrauen: idem.
Stirne: mittel bis gross und etwas gewölbt.
Augen: blau.
Nase: klein. Rücken: geradlinig. Richtung: etwas nach rechts abweichend.
Lippen: etwas dick. Mund:klein.
Kinn: rund.
| Vorderansicht. Kreisel.
Kopf:--- |
| Seitenansicht. //////
Gesichtsfarbe: gesund.
Äussere besondere Kennzeichen:
Eine kleine Narbe am linken Zeigefinger. Eine Narbe am rechten Zeigefinger. Eine kleine Narbe in der rechten Augenbraue. Sommersprossen im Gesicht.
04.06.1927
Anklageschrift des Obergerichtshofes
Wir Charlotte,
Von Gottes Gnaden,
Grossherzogin von Luxemburg,
Herzogin zu Nassau,
usw.......usw.......usw
Allen Gegenwärtigen und Zukünftigen Gruss!
Tun kund und zu wissen, dass:
Der Obergerichtshof des Grossherzogtums Luxemburg, in Anklagekammer gebildet, am vierten Juni tausend neun hundert sieben und zwanzig folgendes Erkenntnis erlassen hat,
Auf Grund des durch den Herrn General-Advokaten Nocké vor hiesiger Anklagekammer gemachten Berichtes über die von Amtswegen, gegen:
H E N G E N Franz-Emil, 23 Jahre alt, Elektriker, geboren und zuletzt wohnhaft zu Rollingen, Gemeinde Petingen, jetzt hier inhaftiert, gepflogenen Untersuchungsverhandlungen;
Nach geschehener Beobachtung der durch die Artikel 222 bis 225 einschliesslich der Criminalprozessordnung vorgeschriebenen Förmlichkeiten;
Nach Einsicht der von der Ratskammer des Bezirksgerichtes zu Luxemburg am zweiten Juni 1927 erlassenen Ordonnanz- und Leibesverhaftsbefehles;
Nach Einsicht der Prozessakten,einschliesslich des durch den General-Advokaten Unterzeichneten und durch ihn der Anklagekammer hinterlassenen Antrages;
Nach gepflogener Beratung, welche sich in ununterbrochener Folge und in Abwesenheit des Herrn General-Advokaten und des Gerichtsschreibers vollzog;
In Erwägung, dass gegen den Inkulpaten Hengen Franz-Emil, hinlängliche Anzeichen der Schuld vorliegen, um wegen der in dem Leibesverhaftsbefehle zu seinen Lasten libellierten Straftaten in Anklagestand versetzt zu werden.
In Erwägung, dass die sub eins principaliter und subsidiarisch libellierten Straftaten ein Verbrechen begründen; dass die sub zwei principaliter libellierte Straftat ein Verbrechen, subsidiarisch jedoch nur ein Vergehen darstellt, dass dieselbe in ihrer subsidiarischen Darstellung mit der principaliter libellierten Straftat in Tateinheit steht und mithin in die Zuständigkeit des Assisenhofes fällt.
In Erwägung, dass das sub drei libellierte Vergehen und die sub vier libellierte Übertretung zu den vorbezeichneten Verbrechen im Verhältnis der Connexität stehen und Hengen auch wegen dieses Vergehens sowie dieser Übertretung vor die Assisen zu verweisen ist.
Nach Einsicht der Artikel 51, 52, 135, 317, 318, 392, 393, 394, 399, 401, 553-1 des Strafgesetzbuches, der Artikel 217 bis 231 der Kriminalprozessordnung, der Ordonnanz vom 25.Juni 1814, sowie des Artikels 49 des Gesetzes vom 18. Februar 1885 über die Gerichtsverfassung.
Aus diesen Gründen:
Erklärt, dass Anklage stattfinde gegen den Inkulpaten Hengen Franz-Emil, wegen der nachbezeichneten ihm zur Last gelegten Straftaten,nämlich:
Am achten Februar 1927, gegen neun Uhr des Nachmittags zu Rollingen:
1.- die Koch Katharina, Köchin, wohnhaft allda, freiwillig, mit Vorbedacht und mit der Absicht zu töten, getötet zu haben.
Subsidiarisch:
freiwillig, mit Vorbedacht, aber ohne die Absicht zu töten, der Koch Katharina, Schläge zugefügt und Verwundungen beigebracht zu haben, welche gleichwohl den Tod derselben zur Folge hatten.
2.- den Koch Johann, Pfarrer wohnhaft allda, freiwillig, mit Vorbedacht und mit der Absicht zu töten, zu töten versucht zu haben, Versuch, welcher durch äussere Handlungen betätigt worden ist, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens enthielten, und welche lediglich durch vom Willen des Täters unabhängige Umstände aufgehalten worden sind, oder ihre Wirkung verfehlt haben;
Subsidiarisch:
freiwillig, mit Vorbedacht, dem Koch Johann, Pfarrer allda, Schläge zugefügt und Verwundungen beigebracht zu haben, welche für denselben die Ursache einer Krankheit oder einer Unfähigkeit zur persönlichen Arbeit waren.
3.- Träger einer verbotenen Waffe, in specie eines Revolvers gewesen zu sein.
4.- dem Verbote an gewissen Orten mit Feuerwaffen zu schiessen zuwider, im Innern der Ortschaft Rollingen acht Revolverschüsse abgefeuert zu haben.
Straftaten, welche durch die Artikel 51, 52, 135, 317, 318, 392, 393, 394, 399, 401, 553-1 des Strafgesetzbuches, sowie durch die Ordonnanz vom 25.Juni 1814 vorgesehen und bestraft werden.
Verweiset demgemäss den Inkulpaten Hengen Franz- Emil vor die Assisen, um den Gesetzen gemäss gerichtet zu werden.
Bestätigt den durch die Ratskammer des Bezirksgerichtes zu Luxemburg am zweiten Juni 1927 gegen Hengen Franz-Emil erlassenen Leibesverhaftsbefehl und verordnet dessen Abführung in das sich beim hiesigen Assisenhofe befindliche Justizarresthaus, kraft erwähnter Ordonnanz vom zweiten Juni 1927, welche lautet wie folgt:
Die Ratskammer...........verordnet, dass:
HENGEN Franz-Emil, 23 Jahre alt, Elektriker, geboren und zuletzt wohnhaft zu Rollingen, Gemeinde Petingen, jetzt hier inhaftiert,
Signalement:
Grösse: ein Meter 664 mm; Haare: mittel blond; Augenbrauen: idem; Stirne: mittel bis gross und etwas gewölbt; Augen: blau; Nase: klein, Bücken geradlinig, Richtung etwas nach rechts abweichend; Lippen: etwas dick; Mund klein; Kinn: rund; Kopf: Vorderansicht: kreisel; Gesichtsfarbe: gesund; Äussere besondere Kennzeichen: Eine kleine Narbe am linken Zeigefinger, eine Narbe am rechten Zeigefinger. Eine kleine Narbe in der rechten Augenbraue; Sommersprossen im Gesicht.
am Leibe ergriffen werde, um in jenes Justizarresthaus angeführt zu werden, welches der Anklagekammer am Obergerichtshofe zu Luxemburg zu bezeichnen gefallen wird.
Also geschehen und geurteilt im Justizpalaste zu Luxemburg, Datum wie Eingangs.
Anwesend waren die Herren: Eugen Faber, Obergerichtsrat, als Vorsitzender, Kohn und Ferrant, beide Obergerichtsräte, und haben die Herren Vorsitzende und Obergerichtsräte mit dem Gerichtsschreiber unterschrieben.
(gezeichnet) Eug.Faber, Kohn, Ferrant, Thenot.
Befehlen und verordnen, allen dazu ersuchten Gerichtsvollziehern gegenwärtiges Erkenntnis zur Vollziehung zu bringen;
Unserm General-Staatsanwalt und unseren Staats-Anwälten bei den Bezirksgerichten, selbiges zu handhaben;
Allen Kommandanten und Beamten der öffentlichen Macht starke Hand zu leisten, wenn sie gesetzlich dazu aufgefordert werden;
Zur Beglaubigung dessen ist gegenwärtiges Erkenntnis unterschrieben und mit dem Siegel des Obergerichtshofes versehen,
Für gleichlautende Ausfertigung
Der Obergerichtsschreiber
10.06.1927
Der Anklage Akt gegen Emile am Assisenhof steht. Der Gerichtsvollzieher Jean-Nicolas Geiben übergibt ihn Emile im Gefängnis.
Anklage-Akt wider
HENGEN Franz-Emil, 23 Jahre alt, Elektriker, geboren und zuletzt wohnhaft zu Rollingen (Gemeinde Petingen), jetzt hier inhaftiert.
Durch Erkenntnis der hiesigen Anklagekammer vom 4. Juni 1927 wurde Hengen Franz-Emil wegen Mordes u.s.w. vor die Assisen verwiesen.
Aus der Untersuchung ergehen sich folgende Tatumstände:
Am 8. Februar 1927 gegen 9 Uhr Nachmittags vernahmen die Nachbarn des Pfarrhauses zu Rollingen drei schnell aufeinander folgende Revolverschüsse und hörten gleich darauf den Pfarrer Johann Koch und seine Schwester Katharina Koch um Hilfe rufen. Sie eilten in den hinter dem Pfarrhause gelegenen Hof, wo sie Katharina Koch leblos am Boden liegend fanden. Johann Koch, der ebenfalls mehrere Schusswunden erlitten hatte, erzählte in kurzen Worten, dass Emil Hengen kurz vorher in seinem Schreibzimmer fünf Schüsse auf seine Schwester und ihn selbst abgegeben habe und dann geflüchtet sei; nach einigen Augenblicken sei er ins Pfarrhaus zurückgekehrt und habe im Hofe noch einmal auf Katharina Koch und zweimal auf ihn geschossen. Johann Koch konnte sich allein aufs Stockwerk begeben, wo er sich zu Bette legte, während die Nachbarn die Leiche seiner Schwester ins Haus schafften und Arzt und Polizei in Kenntnis setzten.
Die Gendarmen, die sofort am Tatort erschienen, begaben sich nach der Wohnung Hengen, wo sie den Angeklagten zu Bette liegend antrafen. Emil Hengen behauptete anfangs, er könne nicht als Täter in Betracht kommen, da er am Abend den Pfarrhof überhaupt nicht betreten habe. Als er jedoch seinen Opfern gegenübergestellt wurde, gab er zu 8 Schüsse auf den Pfarrer und dessen Schwester abgegeben zu haben. Weitere Aussagen könne er erst später machen, da er allzu aufgeregt sei.
Johann Koch schildert den Hergang der Tat folgendermassen: Am erwähnten Abend hatte er in der Kirche mehreren Schulkindern Gesang- und Orgelunterricht erteilt. Gegen 7 Uhr ging er nach Hause. Kaum hatte er sich einige Minuten im Schreibzimmer mit seiner Schwester unterhalten, als die Schelle an der Haustüre erklang. Katharina Koch führte den Besucher, es war Emil Hengen, ins Schreibzimmer, dabei erklärend, Hengen komme um die zwischen seiner Familie und dem Pfarrer bestehenden Zwistigkeiten beizulegen.
Als Katharina Koch sich zurückziehen wollte, bat Hengen sie zu Bleiben, da die Sache sie ebenfalls beträfe. Im laufe der nun folgenden Unterredung, die über eine Stunde andauerte, kam eine Anzahl Vorkommnisse zur Sprache, ohne dass Koch und Hengen sich dabei merklich aufgeregt hätten. Unter anderem gab Koch seinem Besucher einen in französischer Sprache verfassten Brief zu lesen, in welchem ein Freund den Pfarrer um eine Unterredung bat. Hengen las den Brief und fragte nach der Bedeutung eines Satzes. Als Koch sich daraufhin etwas nach vorne beugte, zog Hengen einen Bevolver aus der Tasche, hielt Koch die Waffe vor die Stirn und gab einen Schuss ab. Koch sprang zur Seite und erhielt einen zweiten Schuss. Katharina Koch war jetzt ebenfalls aufgesprungen. Hengen schoss zweimal auf sie. Bevor er flüchtete, gab er einen dritten Schuss auf Johann Koch ab. Der Pfarrer und seine Schwester begaben sich nun in den Hof, um Hilfe heibeizurufen. Inzwischen hatte Hengen jedoch das Haus wieder betreten und war seinen Opfern in den Hof gefolgt. Ohne weiteres gab er aus nächster Nähe einen Schuss auf Katharina Koch und zwei Schüsse auf Johann Koch ab, worauf er durch den Garten verschwand.
Diese Darstellung lässt keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte mit Vorbedacht gehandelt hat, doch wird dieselbe von Hengen in mehreren wesentlichen Punkten energisch bestritten.
Er behauptet, er sei gegen 7 Uhr von Hause fortgegangen, um sich zur Gesangprobe zu begeben. Vorerst sei er jedoch bis zur Schule gegangen, um, seiner Gewohnheit gemäss, die vom Pfarrer abgehaltene Gesangprobe der Mädchen anzuhören. Als er schon vor der Schule stand, habe er sich erst erinnert, dass an dem betreffenden Abend dort keine Probe stattfand. Im selben Augenblick sei Pfarrer Koch vorbeigekommen und habe ihn eingeladen, mit ihm zum Pfarrhaus zu gehen, da er noch mit ihm zu reden habe. Im Schreibzimmer habe er gegenüber dem Pfarrer Platz genommen. Es sei möglich, dass er zu Katharina Koch gesagt hebe, sie solle bleiben, weil die Aussprache auch ihr gelte. Koch und er hätten sich gegenseitig mancherlei Vorwürfe gemacht und der Ton ihrer Unterredung sei zeitweilig ziemlich heftig gewesen. Der Pfarrer habe ihm wohl den schon erwähnten Brief vorgezeigt, um zu beweisen, dass er im ganzen Land gute Beziehungen unterhalte. Es sei aber nicht bei diesem Anlass gewesen, wo er die Schüsse abgegeben habe, sondern erst 10 bis 15 Minuten später, als Koch ihm vorgeworfen hätte, ein Liebesverhältnis mit einem 14 jährigen Mädchen angeknüpft zu haben. Diese Verleumdung habe ihn in eine solche Aufregung versetzt, dass er den Kopf verloren habe und zwei Schüsse auf den ihm gegenüber sitzenden Pfarrer abgegeben habe, Katharina Koch sei aufgesprungen und in die Ecke beim Fenster geflüchtet. Er habe zweimal auf sie geschossen und sei dann fortgelaufen, nachdem er noch einen letzten Schuss auf Johann Koch abgegeben hatte. Als er bemerkt habe, dass die Geschwister Koch ihm folgen wollten, habe er ihnen noch zugerufen, sie sollten Zurückbleiben. Schon sei er bei der Schule gewesen, als er Koch um Hilfe rufen hörte. Gleichzeitig habe er sich erinnert, dass er noch zwei Patronen in der Westentasche bei sich trug. Er habe die Waffe wieder geladen, sei ins Pfarrhaus zurückgelaufen und durch den Hausgang in den Hof gedrungen. Er habe Katharina Koch nicht hier gesehen, folglich auch nicht auf sie geschossen. Der Pfarrer habe an der Drahtumzäunung gestanden und am Hilfe gerufen; aus 5-4 Meter Entfernung habe er in der Dunkelheit 2 Schüsse auf ihn abgegeben und sei über die Felder nach Hause geflüchtet wo er sich ins Bett legte.
Der Angeklagte bestreitet mithin, seine Tat vorher überlegt zu haben, vielmehr will er in einem Augenblicke höchster Erregung, als er jede Herrschaft über sich selbst verloren hatte, gehandelt haben. Die Waffe, eine automatische Taschenpistole, Kaliber 6,35 mm. habe er regelmässig bei sich getragen wenn er des Abends ausging, um sich gegen Angriffe seitens der Anhänger des Pfarrers zu schützen.
Diese Aussagen des Angeklagten sind jedoch in zwei wichtigen Punkten widerlegt, insofern mehrere Zeugen, welche den Pfarrer Koch sahen, als er gegen 7 Uhr die Kirche verliess und nach Hause ging, Niemand in der Nähe der Schule erblickten und andere Zeugen versichern, dass nicht nur zwei, sondern 3 Schüsse im Hofe des Pfarrhauses fielen.
Andererseits erscheint es auffallend, dass der Angeklagte, der allgemein als ruhiger junger Mann galt, weder am Tag der Tat noch vorher ein aufgeregtes Wesen zur Schau trug, und dass er nie eine Anspielung darauf machte, dass er sich an Koch rächen wolle. Am Nachmittag des 8. Februar hatte er zwischen 4 und 7 Uhr zwei Schenklokale besucht und einige Glas Bier getrunken, sich wie gewöhnlich mit seinen Freunden unterhalten und sogar einige Lieder gesungen. Auch in seiner Elternwohnung, wohin er gegen 7 Uhr zurückgekehrt war, fand er keinerlei Anlass zu seiner Tat.
Katharina Koch hatte drei Schüsse erhalten: einen in den Unterleib, einen in den rechten Am, einen dritten, der den sofortigen Tod des Opfers herbeiführen musste, in die Brust. Diese Schüsse waren sämtlich aus mehr als 1 Meter Entfernung abgegeben worden.
Johann Koch war von 5 Kugeln getroffen worden und zwar ins Gesicht, in die rechte Hand, in die linke und die rechte Seite des Halses und in die linke Seite des Unterleibes. Die erste und die letzte dieser Kugeln waren aus sehr kurzer Entfernung abgeschossen worden. Die vorbeschriebenen Verletzungen waren sämtlich ungefährlicher Natur, und verursachten für Koch eine Arbeitsunfähigkeit von cirka 6 Wochen. Der Angeklagte wurde auf seinen Geisteszustand untersucht und als vollkommen zurechnungsfähig befunden.
Hengen Franz-Emil ist nicht vorbestraft.
Demgemäss ist Hengen Franz-Emil angeklagt am achten Februar 1927, gegen neun Uhr des Nachmittags zu Rollingen:
1) Die Koch Katharina, Köchin, wohnhaft allda, freiwillig, mit Vorbedacht und mit der Absicht zu töten, getötet zu haben.
subsidiarisch:
freiwillig, mit Vorbedacht, aber ohne die Absicht zu töten, der Koch Katharina, Schläge zugefügt und Verwundungen beigebracht zu haben, welche gleichwohl den Tod derselben zur Folge hatten.
2) den Koch Johann, Pfarrer, wohnhaft allda, freiwillig, mit Vorbedacht und mit der Absicht zu töten, zu töten versucht zu haben, Versuch, welcher durch äussere Handlungen betätigt worden ist, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens enthielten, und reiche lediglich durch vom Willen des Täters unabhängige Umstände aufgehalten worden sind, oder ihre Wirkung verfehlt Laben.
Subsidiarisch:
freiwillig, mit Vorbedacht, dem Koch Johann, Pfarrer allda, Schläge zugefügt und Verwundungen beigebracht zu haben, welche für denselben die Ursache einer Krankheit oder einer Unfähigkeit zur persönlichen Arbeit waren.
3) Träger einer verbotenen Waffe, in specie eines Revolvers gewesen zu sein.
4) dem Verbote, an gewissen Orten mit Feuerwaffen zu schiessen zuwider, im Innern der Ortschaft Rollingen acht Revolverschüsse abgefeuert zu haben.
Straftaten,welche durch die Artikel 51, 52, 136, 317, 318, 392, 393, 394, 399, 401, 553-1 des Strafgesetzbuches sowie durch die Ordonnanz vom 25. Juni 1814 vorgesehen sind und bestraft werden.
Luxemburg,den 10. Juni 1927.
Für den General-Staatsanwalt,
Der General-Advokat,
Brm. Gerichtsvollzieher Herr Geib aus Luxemburg ist mit der Zustellung vorliegenden Anklageaktes an den hier inhaftierten Hengen Franz-Emil betraut.
Luxemburg, den 10. Juni 1927.
Für den General-Staatsanwalt,
Der General-Advokat,
Heute, den sechszehnten Juni 1900 sieben und zwanzig.
Auf Ersuchen des öffentlichen Ministeriums bei den Obergerichtshofe des Grossherzogtums von und zu Luxemburg;
habe ich unterschriebener Johann-Nicolas Geib, bei dem Bezirksgerichte zu Luxemburg vereideter und zu Luxemburg wohnender Gerichtsvollzieher, dem:
Hengen Franz Emil, 23 Jahre alt, Elektriker, geboren und zuletzt wohnhaft zu Rollingen (Gemeinde Petingen), jetzt hier inhaftiert, in hiesigem Gefängnisse sprechend mit ihm selbst.
Den gegen denselben am zehnten Juni 1900 sieben und zwanzig durch den Herrn General-Advokaten errichteten Anklage-Akt in Abschrift nebst einer Abschrift meines Aktes zugestellt und zuruckgelassen.
16.06.1927
Der Gerichtstermin wird auf den 27. Juli 1927 festgelegt. Der Gerichtsvollzieher Jean-Nicolas Geiben übergibt Emile die Liste mit den nachbezeichneten 17 Personen die als Zeugen, bezw. als Zeugen-Sachverständige der Anklage vorgeladen werden:
I. Als Zeugen:
Kaiser Jean-Pierre, Gendarm, Rodingen
Schaack Pierre, Untersuchungsrichter, Luxemburg
II. Als Zeugen-Sachverständige:
Dr. Gaasch Jean, Arzt, Rodingen
Dr.Ernst Wenger, Arzt, Luxemburg
Medinger Pierre, Chemiker, Luxemburg
III. Als Zeugen:
König Jacob, Wachtmeister der Kriminalbrigade, Luxemburg
Koch Johann, 51 Jahre alt, Pfarrer, Petingen
Steichen Henriette, 36 Jahre alt, ohne Stand, Rollingen
Tibessart Ferdinand, 14 Jahre alt, Sohn von Nicolas, Rollingen
Tibessart Helena, 13 Jahre alt, Tochter von Nicolas, Rollingen
Kraus Nathalie, 14 Jahre alt, Tochter von Heinrich, Rollingen
Schrank Hermann, 53 Jthre alt, Arbeiter, Rollingen
Schrank Joséphine, 25 Jahre alt, ohne Stand, Rollingen
Schrank Bernhard, 19 Jahre alt, Arbeiter, Rollingen
Polfer Maria, 65 Jahre alt, Ehefrau Paulus Nicolas, Rollingen
Wark Jean-Pierre, 52 Jahre alt, Hüttenaufseher, Rollingen
Bodson Gustav, 35 Jahre alt, Lehrer, Rollingen
Juni/Juli
Die Generalstaatsanwaltschaft Luxemburg beauftragt den Wachtmeister König mit einer weiteren Untersuchung in Rollingen. Und zwar soll geklärt werden ob Emile auch verantwortlich sei für das Abfackeln der Scheune von Agarant Jean, Ackerer, geschehen am 01.03.1926 in Rollingen.
Dazu werden befragt: Agarant Jean, 46 Jahre alt, Jung Jean, 38 Jahre alt, Giessereiarbeiter, wohnhaft zu Rollingen und Kemp Franz, 20 Jahre alt, Bergarbeiter, wohnhaft zu Rollingen
Es kam jedoch zu keiner Anklage da man Emile die Tat nicht nachweisen konnte…die Tat wurde nie aufgeklärt.
23.07.1927
Folgende 20 Entlastungszeugen liess Emile vom Gerichtsvollzieher Jean-Nicolas Geiben vor Gericht zittieren.
Lugen Lucien, Chef-Elektriker, Rodingen
Dondelinger Xavier, Schmelzarbeiter, Zolver
Wanderscheid François, Bergarbeiter, Rollingen
Wolf Jean, Mienenarbeiter & Krämer, Rollingen
Schmit Nicolas, Elektriker, Rollingen
Kraus Nicolas, Minenarbeiter, Rollingen
Flammang Pierre, Chef Bergarbeiter, Rollingen
Jacob Joseph, Beamter, Rollingen
Linden Joséphine, Magd & Serveuse, Rollingen
Paulus Joseph, Eisenbahnbeamter, Rollingen
Lucas François, Elektriker, Rodingen
Kemp Alex, Zollbeamter, Rollingen
Lambert Anne, ohne Stand, Ehefrau Wirtz Pierre, Rollingen
Lambert Marie-Anne, ohne Stand, Ehefrau Wanderscheid François, Rollingen
Loschetter Pierre, Hufschmied & Schankwirt, Rollingen
Hatert Charles, Bergarbeiter, Rollingen
Schintgen Marcel, Bürgermeister der Gemeinde Petingen, Petingen
Walser August, Wachtmeister im Ruhestand, Petingen
Schmit Pierre, Lehrer, Niederkorn
Friedrich Jean, Pfarrer im Ruhestand, Oberwormeldingen
25.07.1927 – 09.30 Uhr – Erster Verhandlungstag.
Unter grossem Andrang des Publikums begannen am Montag, den 25.07.1927 um 09.30 Uhr vor dem Assisenhof die Verhandlungen gegen Emile unter Leitung des Präsidenten Georges Faber, assistiert von den Herren Schaack Léon , Kioes, Salentiny und Muller. Greffier ist Herr J-P Thenot.
Die Anklage obliegt dem Herrn Generaladvokaten Nocke, die Verteidigung des Angeklagten bestreiten die Herren Rechtsanwälte Probst und Loutsch.
Die Verhandlung beginnt mit der Verlesen der Anklageschrift und der Zeugenliste durch den Greffier. Beim Vorlesen nachstehender Zeugennamen wird vermerkt:
Dr. Wenger Ernest - nicht erschienen
Schintgen Marcel, Bürgermeister von Petingen – kann erst am Nachmittag erscheinen.
Die Anklageschrift ist im Kapitel 5 lesbar. Fragen und Anworten von der Verhandlung sind jedoch nicht im Dossier der Gerichtsverhandlung vorhanden. Darum wurden meinerseits einige Zeugenaussagen welche in den Zeitungen erschienen hier eingefügt.
10.00 – 10.45 Uhr
Befragung des Angeklagten Emile durch den Präsidenten Georges Faber und anschliessend durch den Generaladvokaten Nocke.
11.45 – 12.10 Uhr
Befragung der Experten durch den Präsidenten Faber Georges
Kaiser Jean-Pierre, Gendarm aus Rodingen Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Schaack Pierre, Untersuchungsrichter Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Dr. Gaasch Jean, Arzt Fragen werden gestellt seitens dem Generalstaatsanwalt und der Verteidigung.
Nach der Befragung bittet Dr. Gaasch um seine Entlassung als Zeuge, da er gerne für seine Patienten der Gemeinde
Petingen wieder zur Verfügung stehe. Allgemeine Genehmigung.
12.20 – 15.30 Uhr
Die Verhandlung wird unterbrochen und wird danach mit den Vernehmungen weiterer Zeugen fortgesetzt.
15.30 – 18.35 Uhr
Die Verhandlung wird mit der erneuten Vorlesung der Zeugenliste durch den Greffier fortgesetzt. Beim Vorlesen nachstehender Zeugennamen wird vermerkt, dass: Dr. Wenger Ernest, noch immer nicht erschienen ist und desweiteren die Zeugen Lambert Jean, Walser Auguste und Friedrich Jean nicht anwesend sind. Der Generalstaatsanwalt übergibt dem hohen Gericht nun einen Brief von Dr. Wenger Ernest indem er darum bittet von der Verhandlung fern bleiben zu dürfen da er seinem Schreiben/Bericht vom 23.04.1927 sowieso nichts beizufügen hätte. Daraufhin liest der Greffier diesen Bercht laut vor.
Befragung der Experten durch den Präsidenten Faber Georges
Medinger Pierre, Chemiker/Waffenexperte Keine Fragen seitens der Verteidigung und des Angeklagten.
König Jacques, Wachtmeister aus Rodingen Er kannte den Angeklagten vor der Tat nicht.
Befragung duch die Verteidigung. Keine Fragen seitens des Angeklagten.
15.30 - 18.30 Uhr
Befragung der Belastungszeugen durch den Präsidenten Faber Georges:
Pfarrer Koch Jean
Spannendster Moment des Prozesses. Koch Jean gibt an für den Moment in Petingen zu wohnen. Er hat ein scharfes Gesicht, mit halb versteckten Augen. Koch wird seitens dem Generalstaasanwalt und den Verteidigern ins Kreuzverhör genommen. Er redet mit einer Volubilität ohne Gleichen, sucht Emile soweit als nur immer möglich zu belasten, so zwar, dass Herr Präsident Faber ihm einmal bemerken muss, dass er nicht da sei, um seine Eindrücke wiederzugeben, sondern bloss was er von der Tat selbst wisse.
Steichen Henriette
Die Verteidigung befragt sie. Sie gibt an, dem Orgelspiel in der Kirche beigewohnt zu haben und will bestimmt gesehen haben, dass Pfarrer Koch allein die Strasse hinaufging. Sie hat die Stellungen angegeben, nach denen die dem Assisenhof vorliegenden Photographien ausgeführt wurden. Sie hat sich umgedreht, weil sie sich besorgte, dass Jemand sie so spät mit dem Pfarrer aus der Kirche kommen sehen könnte. (Lachen im Zuhörerraum)
Tibessart Fernand Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt. (Ohne Eid)
Tibessart Hélène Befragung seitens der Verteidigung, keine durch den Angeklagten. (Ohne Eid)
Kraus Nathalie Befragung seitens der Verteidigung, keine durch den Angeklagten. (Ohne Eid)
Schrank Hermann Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Schrank Joséphine Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Schrank Bernard Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Paulus-Peffer Marie Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Wark Jean-Pierre Befragung seitens der Verteidigung, keine durch den Angeklagten.
Bodson Gustave Keine Fragen werden seitens der Verteidigung und des Angeklagten gestellt.
Die Verteidigung gibt bekannt, dass die Entlastungszeugen Schintgen, Schmitz und Friedrich mittlerweile eingetroffen sind.
Befragung der Entlastungszeugen durch den Präsidenten Faber Georges und die Verteidiger Probst und Loutsch:
Schintgen Marcel
Herr Bürgermeister Schintgen erklärt, die Familie Hengen sei hochachtbar und ganz katholisch; der Pfarrer dagegen sei zu 90 Prozent unbeliebt; der Schöffenrat selbst habe sich an den Bischof gewandt; aber dieser habe erklärt, man wisse nicht, was man mit dem Pfarrer anfangen solle, da man ihn bereits dreimal versetzt habe; dass etwas kommen musste, sei für Jedermann sicher gewesen; doch habe man natürlich nicht an einen solchen Ausgang gedacht.
Friedrich Jean
Viel Eindruck macht die Vernehmung des pensionierten Pfarrers, eines ehrwürdigen Mannes von 70 Jahren, der während 20 Jahren Pfarrer in Rollingen war und dieses Amt erst vor 4 Jahren verliess. Die ganze Familie Hengen hat ihm immer gut gefallen.
Befragt werden auch:
Schmit Pierre - Lugen Lucien - Dondelinger Xavier - Wanderscheid François - Wolf Jean - Schmitz Nicolas - Kraus Nicolas - Flammang Pierre - Jacob Jos - Linden Joséphine - Paulus Joseph - Lucas François - Kemp Alex - Wirtz-Lambert Anne - Wanderscheid-Lambert Marie - Loschetter Pierre Jean - Hartert Charles - Walser Auguste.
Alle diese Entlastungszeugen sprechen für den Angeklagen Emile. Kurz: er habe fast immer die Waffe bei sich getragen und er hätte sich nie boshaft gegen den Pfarrer oder dessen Schwester geäussert.
18.30 Uhr
Alle Zeugen werden vom Gericht entlassen.
18.35 Uhr
Ende des ersten Verhandlungstages nachdem 38 Zeugen ausgesagt hatten.
26.07.1927 – 09.30 Uhr – Zweiter Verhandlungstag
Der Prozess wird am Dienstag, den 26.07.1927 um 09.30 Uhr fortgesetzt. Wieder wird die Einführungprozedur von Gericht, Angeklagten und Verteidiger durch den Greffier vorgelesen.
Requisitorium des Herrn Generaladvokaten Nocke.
Vor allem fallen ihm die zahlreichen Widersprüche in den Aussagen des Angeklagten und des Hauptzeugen Pfarrer Koch auf. Dies ist um so befremdender als ja Emile geständig ist. Er erklärte dann die Zwistigkeiten zwischen Pfarrer Koch und der Familie Hengen. Zum Schluss verlangt er Bestrafung des Mörders wegen Mord mit Vorbedacht.
Vorübergehend erkannte der Vertreter des öffentlichen Ministeriums an, dass Emile, ein junger Mann von kaum 23 Jahren und der Sohn einer wohlhabenden und allgemein geachteten Familie eine vortreffliche Erziehung genossen und dass sein Betragen bis zur Stunde des Verbrechens nie zur geringsten Klage Anlass gegeben habe. Die unzweifelhafte Abficht des Angeklagten, seine beiden Opfer zu töten, gehe zur Genüge daraus hervor, dass er auf dieselben 8 Schüsse abgab aus einer Waffe, in deren Handhabung er sich seit etwa einem Jahre beständig geübt habe. Nachdem er sämtliche im Revolver befindliche Kugeln abgefeuert hatte, begab er sich nachhause, nahm noch etliche Kugeln zu sich und kehrte in den Garten des Pfarrhauses zurück, um seine Opfer vollends zu töten.
10.00 Uhr
Folgen die Plädoyes der Verteidiger.
Herr Rechtsanwalt Probst
will nachweisen, dass kein Vorbedacht vorlag. Der Verteidiger ist überzeugt, dass ein Zwischenfall Ursache der unseligen Tat sein muss. Denn Emile war ein strenger Katholik und dazu ein ordentlicher, gutmütiger Mensch. Er zieht im Laufe der Verteidigungsrede sogar die Möglichleit in Betracht, dass Pfarrer Koch einen Meineid geleistet haben könnte. Er geht dann näher auf verschiedene befremdende Zeugenaussagen ein. Er verlangt zum Schluss Freispruch von der vorsätzlichen Tötung.
Die Verteidigung versuchte das Gericht zu überzeugen, dass nach Lage der Dinge, wie sie durch diverse Zeugenaussagen dargestellt wurde, von Vorbedacht keine Rede sein könne. Der Angeklagte habe den Revolver stets bei sich getragen und im Laufe einer überaus erregten Auseinandersetzung mit dem Pfarrer spontan die Schüsse abgegeben.
Herr Rechtsanwalt Loutsch
ergreift dann das Wort zur Verteidigung des Angeklagten. Er erklärt der Priesterrock Kochs, den er respektiere erschwere seine Mission ungemein. Er führt an, dass Pfarrer Koch sich unter irgendeinem Vorwand das Dossier, das keinem Zeugen ausgehändigt werden darf, zu verschaffen wusste und dasselbe lange durchstudierte. Auch er nimmt eine wenigstens moralische Provokation an. Er bedauert aufs tiefste die Zwietracht, die in unsern Dörfern herrscht und sähe gern das frühere gute Einvernehmen wiederkehren.
Herr Rechtsanwalt Loutsch, betonte noch in seiner Verteidigungsrede, folgende beherzende Worte: „Ich scheue mich nicht zu erklären, dass ich mehr Vertrauen habe in die Aussagen des Angeklagten, als in die Aussagen des Pfarrers Koch. Denn ich kenne den jungen Hengen seit langen Jahren schon, ich kenne seine Aufrichtigkeit, seine Wahrheitsliebe und sein katholisches Gewissen."
10.45 – 11.11 Uhr
Eingelegte Pause.
11.35 Uhr
Der Generaladvokat liesst die Beschuldigungen gegen Emile vor und fragt diesen ob er noch etwas einzuwenden hätten, was er verneint.
11.45 Uhr
Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.
12.05 Uhr
Nach 20 minutiger Beratung kehrt das Gericht zurück und verkündet das Urteil:
Emile wird zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Das Gericht billigt dem Angeklagten mildernde Umstände zu. Ausserdem wurden Emile die bürgerlichen und politischen Ehrenrechte sowie das Recht eine Schankwirtschaft zu halten auf Lebenszeit aberkannt.
Laut Zeitzeugen soll Emile am Tag wo die Deutschen unser Land überfallen haben, d.h. am 10.05.1940, aus dem Gefängnis entlassen worden sein. Laut Überlieferung von Zeitzeugen sollen die damaligen Gefängniswärter alle Zellen aufgesperrt haben damit die Insassen den Deutschen nicht in die Hände fallen sollen.
Emile starb am 13.06.1973 in Luxemburg-Stadt.
Irgendwann in den Jahren 1927 – 1930 reichte Pfarrer Koch, der seit dem 01.10.1927 nicht mehr als Pfarrer in Rollingen tätig war und in Pension lebte, Zivilklage gegen Emile Hengen ein, wohlwissend, dass die Familie Hengen sehr wohlhabend war.
Eingeklagt hat er 97.160 Franken, am 07.07.1930 wurden ihm 47.388 Franken zugeschrieben.
Luxemburg-Stadt, Mittwoch, den 27.04.1932
18.00 – 19.00 Uhr
Pfarrer Koch Jean wird in seiner Zweizimmerwohnung, gelegen in der rue de la Chapelle 17 in Luxemburg-Stadt von zwei Männern überfallen und mit einem Messer erstochen. Es handelt sich um einen Raubmord
Die Täter
1.- Jovo Matijewic, 26 Jahre, geboren in Hopoljac (Homoljac – heute Kroatien) damals Jugoslawien, wohnhaft in Athus
2.- Georges Constantinoff, 32 Jahre, geboren in Sofia (Bulgarien) wohnhaft zu Rodingen.
raubten ungefähr 800 Franken aus einer Kasse, wobei sie eine weit grössere Summe, welche im Schrank versteckt war, nicht entdeckten.
Dieselben konnten sehr schnell ermittelt werden, da sie eine Krankenkassenkarte lautend auf den Namen Matijewic im Zimmer verloren hatten.
Matijewic wurde durch Amtshilfe der belgischen Kollegen tagsdrauf in Athus verhaftet, Constantinoff wurde in einer Gastwirtschaft in Esch/Alzette verhaftet.
Am Vortag der Urteilsverkündigung d.h. am 08.11.1932 erhängte Constantinoff sich in seiner Zelle.
Matijewic wurde am 09.11.1932 vom Assisenhof zum Tode verurteilt was in der Praxis lebenslange Haft bedeutet.
Där huet aal Fotoen oder soss eppes zu deser Seit beizedroen, kee Problem,
kontakteiert eis iwert Rubrik Kontakt.
Wann Där net wëllt, datt eng vun ären Fotoen hei publizeiert gëtt,
da kontaktéiert eis w.e.g. a mär huelen se sou séier wéi méiglech erof.
Et ass net erlaabt Fotoe vun eiser Websäit ze kopéieren an/oder op anere Plazen ze publizéieren
ausser daer hut mat eis en Ofkommes gemach.
copyright (c) geschichtsfrënn vun der gemeng péiteng & claude arend