Hier der von Pfarrer Koch Jean selbst verfasste Leumundsbericht über sich selbst.

 

Das Revolverattentat im Pfarrhause von Lamadelaine.

 

Besprechung der zur Entlastung des Emil Hengen gegen den

Pfarrer Koch erhobenen Anschuldigungen.

 

Von Joh. Koch, Pfarrer

 

 

Die nachstehenden Ausführungen bilden eine Zusammen­stellung und Besprechung der von den Anhängern des Emil Hengen zur Entlastung desselben gegen mich erhobenen An­schuldigungen. Wie ich vernommen habe, sollen die An­hänger des Emil Hengen sowie dessen Verteidiger beab­sichtigen, mich vor dem Assisenhofe anzugreifen, unter dem Vorwande, ich hätte schon an meinen früheren Pfarr­stellen ähnliche Szenen und Schwierigkeiten gehabt um nun den Herren Richtern des Emil Hengen, den Advokaten und dem aussenstehenden Publikum inbetreff dieses Punktes die notwendigen Aufklärungen zu verschaffen, und um zu­gleich den Beweis meiner Loyalität  und meiner Friedfer­tigkeit zu erbringen, erbat ich mir von meinen jetzigen und früheren Pfarrkindern diesbezügliche Leumundszeugnisse.

 

Ich wurde zum Priester geweiht im Jahre 1901. Die erste Anstellung erhielt ich als Kaplan in Reckingen bei Mersch; ich verbrachte dort alle meine Kaplansjahre bis zum Jahre 1910. Von 1910 - 1915 wirkte ich als Pfarrer in Marnach, von 1915 - 1918 in Simmern, von 1918 - 1925 in Oberwampach  und von 1923 bis zum nächtlichen Überfall am 8. Februar 1927 in Lamadelaine.

 

Wegen meines schwächlichen Gesundheitszustandes konnte ich in dieser Zeit weder die einzelnen Ortschaf­ten meiner früheren Wirkungskreise geschweige denn die einzelnen Einwohner dieser Lokalitäten aufsuchen. In die­ser bedauernswerten Situation wandte ich mich aus dem Hospitale in Petingen brieflich an diese Leute, behufs Erlangung einer schriftlichen Beurkundung meines Ver­hältnisses zu ihnen. Da ich auf diese Weise nirgends persönlich vorsprach, kann von einem Drucke oder irgend­einer Beeinflussung meinerseits keine Rede sein. Deshalb sind die mir von den Privatpersonen und von den Inha­bern der Civilgewalt nachstehend wortwörtlich zitierten Antwortschreiben sicherlich als der spontane Ausdruck der Volksgesinnung anzuerkennen.

 

Nachstehend folgt der Reihenfolge nach die Schil­derung:

1) meines Verhältnisses zu den Einwohnern meiner früheren Amtsstellen,

2) meines Verhältnisses zu den Einwohnern von Lamadelaine  und

3) meines Verhältnisses zu der Familie Hengen.

 

Jeder Abteilung wird beigefügt der Text der verschiedenen Certifikate mit dem darun­terstehenden Namensverzeichnis.

 

Ad 1. Mein Verhältnis zu den Einwohnern meiner früheren Amts­stellen.

 

 

1) Leumundszeugnis von Reckingen bei Mersch.

 

Bescheinigung: Die Unterzeichneten Einwohner von Reckingen bei Mersch bescheinigen hiermit, dass der hochwürdige Herr Johann Koch während der neun Jahre, wo er hier als Kaplan wirkte (von 1901 -1910), mit der Bevölkerung im besten Einvernehmen stand. Seine Pflichten als Geistli­cher erfüllte er treu und pünklich und machte allen Leuten, wo und wie er nur konnte, viele Gefälligkeiten. Auf diese Art kam es, dass das ganze Dorf demselben vor seinem Abschied eine herzliche Ovation darbrachte und ihm bei dieser Gelegenheit eine prachtvolle Wanduhr schenkte.

 

Trotzdem Herr Koch jetzt schon siebenzehn Jahre das Dorf verlassen, bewahren ihm alle Einwohner das beste Andenken

Reckingen (Mersch), den 22 März 1927

 

Hier folgen die Unterschriften:

Mathias Reuter, conseiller communal, Mme Trauffler, Kasel J.B., N. Beringer, Jean Crelo, J.P.  Birckel, M. Conrad, J.P  Kugener-Bichel, Prosp Elsen, Michels Nic , J.P. Schroeder, E. Beintgen, J.P. Redwig-Majerus, N. Urbes, M. Ewers, Th.  Zwick, P. Oë, Hoffmann, Elsen- Goerens-Stoltz, Et.  Mischel, Reuter B., J. Cloos, J.P. Evert, Jean Ewert, Pierre Elcherodt, P. Scholtus, P. Victor, H. Clemens, Antoine Feierstein, Michel Birckel, J.P  Heiler, Vve Lux, Vve H.  Bosseler, Martin Mousel, B.  Bosseler, Frisch Jean, Franken  Elsen, P.  Steffen, Pierre Elsen, Graf, Justine Elsen, Eugen Elsen, Meyer, Cath. Redwig I, Cath. Redwig II, Schroeder Pierre,  Nic.  Bartholomé, Jos  Schenten, Cath. Schenten, Loser-Lambert, J.P.  Bichler, Beckerich ,  Nic. Hoffmann, Klein, Birckel Pierre, Antoine Schiltz-Lantz,  Nic. Thewes-Schmit, Nic. Cloos, P. Braun, Mathias Petry, Bern Reuter-Hu­berty, agent d'assurances, Kugener-Biwer, Kremer Jean, J.P. Majerus, Ed. Majerus, Charles Mergen, Michels Michel, Frau Kleren, Michel Elcherodt, Vve Kauffmann, Vve Schmit, Bern. Scheckel, Anton Schroeder, Vve Kugener-Steffen, Mathias Hilger, Weber Franken, Elcherodt Jean, Vve Kugener-Wagner, Emil Mostert, Elise Huberty,   Nic. Faber, Arendt,  Vve Steichen, El.  Faber, J.P. Haler, J.P. Kugener-Huwer.

 

Sammler der Unterschriften in Reckingen war: Herr Peter Bemard Reuter, Versicherungs­agent. Seiner Aussage nach haben alle Hauser in dieser Ortschaft unterzeichnet.

 

 

2) Leumundszeugnis der Gemeinderatsmitglieder von Mersch (1901-1910 ).

 

Les soussignés, anciens membres du Conseil communal de la commune de Mersch, certifient:

Que Monsieur l'abbé Jean Koch a résidé comme vicaire à Reckange-lez-Mersch de 1901—1910 où il a exercé ses fonctions sacerdotales, alors qu'en même temps et pendant une série d'années il était chargé de la binaison dans la localité de Rollingen-lez-Mersch. Que pendant tout son séjour dans la com­mune de Mersch Monsieur l'abbé Koch a eu les relations les plus courtoises avec la population des villages deservis par lui, et l'Administration de la commune de Mersch n'a jamais eu la moindre difficulté avec lui. Que Monsieur l'abbé Koch avait surtout un coeur bienveillant pour la classe des travailleurs et était heureux de pouvoir rendre service et soulager les souffrances des pauvres.

 

Mersch, le 4 avril 1927.

G. Wilhelmy, ancien bourgmestre,

Arendt Ch., M. Harpes, E.  Monen,   Nic. Laux,   Nic. Kraus.

 

P.S. Vorstehendes Zeugnis ist von Herrn Gustav Wilhelmy selbst verfasst  und eigenhändig geschrieben, mit dem Ge­meindecachet versehen:

 

Vu pour la légalisation des signatures apposées ci-dessus.

Mersch, le 4 avril 1927. Le bourgmestre A. Eichhorn..

 

 

3) Leumundszeugnis der Einwohner von Marnach und Roder. (1910-1915).

 

Marnach, den 5. April 1927. Die Einwohner der Pfarrei Marnach bescheinigen ihrem früheren Seelsorger Herrn Joh. Koch, welcher von 1910-1915 bei uns war als Seel­sorger, dass gerade in dieser Zeit viele Schwierigkeiten hier zu überwinden waren auf allen Gebieten, und dass Herr Koch, obschon er hie und da mit einem oder dem andern in Meinungsverschiedenheiten kam, immer einen versöhnlichen Charakter (sic) bewies sowohl in seiner Pfarrverwaltung als im Privatleben. Grade (sic) in dieser Zeit wurde das neue Pfarrhaus gebaut, wo Herr Kohl viele Dienste leistete und auch persönliche Opfer brachte.

 

Grade (sic) in dieser Zeit war der Kriegsanfang, wo bei uns, wie überall, die Gemüter sehr in Aufregung gebracht waren und Herr Koch sich immer bemühte, nach bestem Wis­sen und Können die Aufregungen beizulegen. Klagte jemand ihm sein Leid auf sozialem Gebiete, so war er gleich zu aller  und jeglicher Hilfe bereit. Mancher von hier sucht ihn heute noch auf, um in Verdriesslichkeiten Hilfe zu finden.

 

Hier folgen nun 171 die Unterschriften:

 

Nic. Linden, M. Linden, Jos. Turmes, Michel Hoschet, Mich. Heuschen, P. Bock, Frau Bock,  Nic. Bock, P. Meyers, M Schwinchen, M. Schmitz, P. Groschet, E. Groschet, K. Schmitz, J. Hertges, Suz. Grotz, P. Hoffmann, M. Hofftaann, Marg. Hoffmann, Cath. Bruck, Franz Lamesch, Balthasar Lamesch, Anne Klecker, Jac  Thinnes, Peter Weyer, Jakob Waier, J. Cannes, J. Schmitz, Lucie Steffen, Josef Ho sehet, Mathias Bracon Nic.r, A. Meyers, A M. Mpyers, Berscheid, J.P. Kremer, Jean Meyers, Elise Kneip, M. Bracon Nic.r, A. Bracon Nic.r, Jos  Bleser, Kath. Schmitz, Vve Hertges, Anna Hertges, Majerus J , Jean Jacobs, Marie Thommes, Cath. Maes, Anton Steffen, Jacques Steffen, Frau Waller, Pierre Wealer, Frau Stoffels, Michel Grotz, Frau Grotz, A.A  Grotz, Guillaume Lamesch, Paul Schneider, J.P. Schneider, Mâchel Foeteler, Cath. Theis, Vict. Foeteler, Al. Foeteler, Lucie Bertemes, Alois origer, P. Freischel, Frau Eicher, J.P. Jacobs, Anton Peters,   Nic. Jacobs, Pierre Müller, Sisi Schweigen, Michel Jacobs, Elise Hertges, Marg. Schmitz, Jos. Hertges, Martin Hertges, Michel Schroeder, Marie Cuvelier, J.P. Turmes, Martin Lamesch,   Nic. Fischbach, Lamesch P , Bergen A., Martin Heinesch, Marie Lallemang, Franken Kneip, Franken Keup, Franken Ja­cobs, Josephine Thielen, Marg. Kneip, S. Kneip, Mathias Krausch, Anna Glodt, Josef Glodt, Frau Feltes, Helene Bier, Jean Hoschett, Suz. Schmitz, Cath. Jacoby, Martin Schmitz, Emil Linden, Bertemes Alf., Barbara Seiler, Nic. Brachmann, Marie Brachmann, Anna Brachmann, Theodor Zoenen, Paul Brachmann, Marg. Brachmann, W. Brucks, M. Fischbach, Anna Brücks, Schon Georges, Pierre Schon, Jean Schon, Elise Schon, M. Sassel, Marie Sassel, Frau Leiner, Becker  Nic. , Frau Bertemes, Michel Schilling, Jean Hoscheit, Schaack, M. Nosbusch, Marie Galer, Brachmond, J. Schilling, Lucie Schilling, Suzanne Kneâp, M. Meintz, Frau Meintz, Andreas Adames, J. Schroeder, Marg  Schilling, Marg. Metz, Marie Metz, Peter Metz, P. Hamus, Eugen Hamus, Cath. Maillet, Mathias Hamus, Marie Hamus, Sophie Hamus, Justine Hamus, Bertha Hamus, Jean Hertges-Thielen, Grotz Dominique, Peter Ludewig, Lucie Ludewig,   Nic. Grotz, P. Wagner, Josef Metz, Ernestine Mersch, Antoine Galej s, M. Wagner, Marg. Mersch, J. Lamboreile, Th. Mailliet, e. Barra, J. Barra,   Nic. Barra, Jean Bichel, Vve Kettmann, Marg. Kettmann, Mathias We­ber, Cécile Weber, Frau Weber, G. Fischbach, Rinck Pierre.

 

P.S. Dieses Zeugnis der Pfarrei Marnach ist verfasst von Jos. Turmes, Handelsmann in Marnach. Er ist auch Sammler der Unterschriften. Alle Häuser von Marnach und Roder haben unterzeichnet. Wenn ich gut gezählt habe, so beläuft sich das Total der Unterschriften auf 171.

 

 

4) Leumundszeugnis des Schöffenrates von Simmern (1915- 1918).

 

Simmern, den 20. März 1927. Das Schöffenkollegium der Gemeinde Simmern bescheinigt andurch, dass Herr Johann Koch als Pfarrer von Simmern stets in Eintracht und Zufriedenheit mit seinen Pfarrkindern lebte und amtierte; dass er sich niemals etwas zu schulden kommen lies, was gegen den Anstand verstossen hätte. Seine Amtspflichten standen ihm über alles. Den Armen war er stets ein milder und trösternder lies spendender Tröster, den Betrübten der beste Ratgeber. In allen Hinsichten können wir Herr Koch nur Dank zollen für die grossen Dienste, die er der Pfarrei Simmern leistete, für alle die Mühen und Sorgen, welche er für seine Pfarrkinder aufbrachte. Dieses bestätigen von Herzen die Mitglieder des Schöffenkollegiums der Gemeinde Simmern.

gezeichnet Marner, Strauss, EilenbecKer

 

 

 

5) Leumundszüggnis von dem Gemeinderate von Oberwampach (1918-1923).

 

Erklärung.

Die Unterzeichneten Mitglieder des Gemeinderates von Oberwampach erklären andurch, dass der Pfarrer Herr Koch während der Zeit, wo er Pfarrer in Oberwampach war, weit entfernt mit dem Gemeinderate eine Schwierigkeit zu haben, stets mit ihm und seinen Mitgliedern im besten Einvernehmen stand.

Oberwampach, den 24. März 1927.

(gez.) Heintz, J. Theisen, Jean Eisener, Pletschette, Nic. Haas, Jean Collignon, Sekretär.

 

 

Schlussbemerkung:

Vorstehend sind die schriftlichen Beurkundungen meines Verhältnisses zu den Einwohnern meiner früheren Amtsstellen. Ich glaube, jedermann wird zugeben, dass sowohl der Wortlaut als auch die Zahl der Unterschriften für meine Person sehr ehrenvoll sind.

 

Diese Leumundszeugnisse sind der beste Beweis, dass, wenn ich, wie das bei jedem Pfarrer der Fall ist, hie und da mit dem einen oder dem andern Pfarrangehörigen eine Meinungsverschiedenheit hatte, ich sowohl in der Pfarrverwaltung als im Privatleben einen versöhnlichen Charakter bewies. Aus diesem Grunde haben, sowohl, die Anhänger des Emil Hengen unrecht, wenn sie, um den jugendlichen Mörder zu entschuldigen, mich wegen meiner Amtstätigkeit in den früheren Pfarrstellen angreifen.

 

 

Ad 2. Mein Verhältnis zu den Einwohnern der jetzigen Pfarrei Lamadelaine.

 

Schilderung der Situation im allgemeinen.

 

Im „Escher Tageblatt“., n° 44, 10. Februar 1927, steht zu lesen: "Der Pfarrer Koch war wegen allerhand Miss­helligkeiten in Rollingen und Umgebung nicht allzugern gesehen.

 

Ich stelle die Frage: Was ist von dieser Behauptung zu halten? Entspricht diese Aussage der Wahr­heit, oder ist sie in tendenziöser Weise gegen den Pfarrer Koch zugespitzt? Eine Schilderung des Verhältnisses der Einwohner von Lamadelaine zu mir wird, inbetreff dieser Äusserung, die notwendige Aufklärung verschaffen.

 

Es wird sich zeigen, dass der Berichterstatter des „Escher Tageblatt“ die wahre Gesinnung der Pfarrangehörigen nicht richtig kannte oder jedenfalls nicht der Wahrheit entsprechend wiedergab.

 

Im Monat August des Jahres 1923 weilte ich wegen Teilnahme an den Priesterexercitien im Seminar in Luxemburg. Donnerstag kam zu mir der hochwürdigste Herr Bischof, Dr. Nommesch, und sagte: „Es war gestern Kapitel. Wir hatten die Absicht, Sie zum Pfarrer von Lamadelaine zu nennen. Was meinen Sie dazu?.“ Ich entgegnete: „Ich kenne Lamadelaine nicht, aber wenn Sie es für gut finden, mich dorthin zu ernennen, so gehe ich hin.“ Acht Tage später erhielt ich die Ernennung. Die Umziehung und Installation fanden statt im Monat Oktober unter reger Beteiligung der Dorfeinwohner. Als Geschenk wurde mir ein eichener Bureauminister angeboten.

 

Die Pfarrei, der ich auf diese Weise zugewiesen wurde, umfasst etwas mehr als 1000 Einwohner. Früher war es ein einfaches Bauerndorf. Seitdem aber unterhalb dieser Sektion die Rollingerschmelz errichtet wurde und oberhalb in den Minettsbergen täglich 400-500 Waggons Eisenerz an das Tageslicht befördert werden, siedelte sich im Dorfe eine sehr gemischte Bevölkerung an. Es ist wahr, von diesen etwa 1000 Einwohnern haben mich ungefähr ein Dutzend Familien bekämft und drangsaliert. Aber ich frage, welcher Geistlicher findet in der Minettsgegend in unserer glaubens-, sitten und autoritätsloser Zeit nicht eine derartige Opposition?

 

Die grösste Mehrzahl der Dorfinsassen war aber sehr zuvorkommend. Zu allen Diensten bereit war der frühere Ortsschöffe Herr Thiry. Auf sein Betreiben wurde meine Gemeindezulage von 600 auf 1400 Franken erhöht, und er liess mir viele Arbeiten in und um das Pfarrhaus besorgen. Auch der ihm nachfolgende Schöffe, Herr Johann Peter Bosseler, hat beständig Sorge getragen, dass im Gemeinderate alle Forderungen, welche vom Kirchenrat oder mir gestellt wurden, nach unserem Wunsche Erledigung fanden. Doch nicht blos die Ortsschöffen oder Kirchenratsmitglieder, sondern überhaupt die ganze Dorfbevölkerung kam mir mit Vertrauen entgegen. Diese innere Gesinnung hat sie auch äusserlich zum Ausdruck gebracht durch verschiedene Sympathiekundgebungen, welche das gewöhnliche Mass der Ergebenheit, welche eine Pfarrei ihrem Seelsorger im allgemeinen entgegenbringt, in aussergewöhnlicher Weise überschritt. Aus den vielen Beweisen der Hochachtung  und Zuvorkommenheit, worauf ich mich in dieser Hinsicht beruhen konnte, will ich mich darauf beschränken, zu Ehren dieser treuzugetanenen Pfarrinsassen folgende vier Begebenheiten einer öffentlichen Besprechung zu unterziehen.

 

Erster Sympathiebeweis.

 

Aus Rücksicht auf ihren Pfarrer erbieten sich die Einwohner von Lamadelaine, aus ihren Privatmitteln eine Einfriedigung im Pfarrgarten zu bezahlen.

 

Im Jahr 1924 wurde im Pfarrgarten ein Hühnerpark eingerichtet. Die Arbeiten wurden besorgt durch den Schmied Peter Loschetter. Seine Rechnung belief sich auf 696 Franken. Ich war der Meinung, der Gemeinderat werde die Einfriedigung bezahlen und hatte zu diesem Zwecke, sowohl vor als nach der Errichtung, verschiedene Besprechungen mit dem Ortsschöffen Herrn Thiry.

 

Durch ein Missverständnis wurde aber unterlassen, über diese Angelegenheit in Gemeinderate regelrecht eine Deliberation zu fassen. Die Opposition des Herrn Thiry berief sich auf diesen Formfehler und widersetzte sich der Begleichung der Rechnung Loschetter mit der Begründung, Herr Thiry habe die Sache nicht regelrecht im Gemeinderate zur Sprache gebracht, und deshalb könne er nun auch schauen, wer alles bezahle.

 

Mir gegenüber versicherte dieselbe Opposition: "Wenn wir so handeln, so geschieht es nicht wegen Ihrer Person, wir wollen Herrn Thiry treffen, das Gemeinderatsmitglied."

 

Herr P. Lambert schrieb mir am 5. Oktober 1924: II reste entendu qu'en tout cas cette affaire ne saurait vous atteindre personnellement.

 

Da selbstverständlich Herr Loschetter sein Geld erhalten musste, stellte sich die Frage, wer nun bezahle, ob die Gemeinde, ob Herr Thiry, ob ich die Rechnung regle. In diesem kritischen Moment, wo die Angelegenheit definitiv vor Gericht sollte anhängig werden, halfen die Ortseinwohner von Lamadelaine über diese Schwierigkeit hinweg, indem sie nämlich die Summe von 696 Fr sammelten.

 

Zu gleicher Zeit verfassten sie nachstehendes Schriftstück, das sie mir mit dem zur Verfügung gestellten Gelde übergaben.

 

Erklärung:

In anbetracht, dass der Gemeinderat von Petingen sich weigert, die Rechnung des Herrn Loschetter von 696 Franken betreffend die Einfriedigung des hiesigen Pfarrgartens zu begleichen; ungeachtet des Zeugnisses, dass der frühere Ortsschöffe von Lamadelaine, Herr Thiry, auf dem Friedesgerichte in Differdingen abgab, er habe schon vor der Aufstellung dieser Umzäunung von der Arbeit gewusst und er sei auch einverstanden und wünsche, dass die Rechnung Loschetter vom Gemeinderate bezahlt werde.

 

In Erwägung, dass diese Sache nun vor dem Handelsgerichte in Luxemburg zum Austrag kommen müsste, durchdrungen von der Überzeugung, dass ihr Pfarrer, der hochwürdige Herr Koch, nach den vorliegenden Beweisen in allen Punkten loyal und ehrlich zu Wege ging und sie ihm deshalb die Unannehmlichkeit ersparen wollen, wegen dieser strittigen Angelegenheit vor Gericht auftreten zu müssen, zeichnen die Unterzeichneten aus Rücksicht auf ihren Ortspfarrer nachstehenden Betrag zur Begleichung der Rechnung Loschetter:

 Jos. Schmit 25 Franken, Biver Jos. 25 Franken, Lippert J.P. 25 Franken, Fr. Thill 25 Franken, Peter Tockert 25 Franken, Ch. Tockert 25 Franken, Bosseler J. P. 25 Franken, Jean Agarand 100 Franken, Witwe Steichen 25 Franken, Franz Tockert 25 Franken, Metzler 25 Franken, Witwe Sacheler 75 Franken, Hengen 30 Franken, Henry 25 Franken, Adolf Fischer 25 Franken, Flick 25 Franken, Müller 10 Franken, Thiry 25 Franken, Tholy 25 Franken, Koos 30 Franken, Weiler 10 Franken, Rats 20 Franken, Bosseler 20 Franken, Ungenannt 25 Franken, Fournelle 15 Franken.

 

Die Totalziffer des Geldes war 700 Franken. Zu dieser Liebesgabe möchte ich mir erlauben, folgende Bemerkungen zu machen. Auf dieser Liste figuriert:

1) Johann Peter Bosseler, der jetzige Schöffe mit 25 Fr ,

2) Johann Thiry, der frühere Schöffe mit 25 Franken,

3) Johann Flick, Grubendirektor, der Gegenkandidat des Herrn Bosseler bei den letzten Gemeinderatswahlen, mit 25 Franken,

4) auch die Familie Hengen zahlte 30 Franken.

 

Dass alle diese Personen zu diesem Zwecke diesen Beitrag spendeten, trotzdem sie wegen der erst kurz vorher stattgefundenen Gemeinderatswahlen nicht gerade Freunde waren, ist sicher der beste Beweis, dass ich trotz der gegenteiligen Äusserung des "„Escher Tageblatt“ bei allen Parteischattierungen und sogar bei der Familie Hengen geachtet und gern gesehen war. Denn wenn dieses nicht der Fall gewesen, so wäre es undenkbar und ausgeschlossen gewesen, dass alle diese Leute diese Geldspenden für mich dargebracht.

 

 

Zweite Sympathiekundgebung.

 

Die ganze Einwohnerschaft huldigt dem Pfarrer Koch bei der Feier seines silbernen Priesterjubiläums.

 

Ich wurde zum Priester geweiht im Jahre 1901. In das Jahr 1926 fiel also die Zeit meines 25jährigen Priesterjubiläums. Die Frage, ob die Pfarrei Lamadelaine sich an dieser Feier beteiligen sollte, konnte mit Recht diskutiert werden. Es hätte mich auch nicht verdriessen können, wenn im Dorfe niemand Notiz davon genommen hätte. Denn im allgemeinen wird die Feier des 25jährigen Priesterjubiläums als eine private Festlichkeit für den einzelnen und ein Kollegialfest für die Amtsgenossen aufgefasst. Trotzdem ich nun erst drei Jahre in Lamadelaine wirkte und trotz dieser entgegenstehenden allge­meinen Auffassung hat mir die ganze Einwohnerschaft bei dieser Gelegenheit einen erneuten Beweis ihrer Anhänglichkeit gegeben.

 

Über den Verlauf dieser Ovation findet sich im Luxemburger Wort folgendes Refferat:

Lamadelaine, den 9. August 1926. Unsere Ortschaft beging gestern eines jener Feste, wie sie der katholischen Volksseele lieb und teuer sind. Es galt, das 25jährige Priesterjubiläum unseres verehrten Herrn Pfarrers Koch zu feiern. Wegen der grossen Zuvorkommenheit des Jubilars und in anbetracht der grossen Dienste, welcher er jedermann, besonders aber der Arbeiterschaft, auf sozialem Gebiete leistet, erfreut er sich hier der allgemeinen Hochachtung. Zur Begrüssung des Jubilars hatte sich gegen drei Uhr eine dichtgedrängte Volksmenge im Hofe des Pfarrhauses eingefunden. Auf allen Gesichtern war hellstrahlende Freude, in den Herzen pulsierte hohe Begeisterung. Der Kirchengesangverein, das Lehrpersonal und die Schulkinder hatten die Organisation der Festlichkeit übernommen. Ihnen gebührt Lob und Anerkennung; alles klappte bis in die kleinsten Details. Mehrere Lieder wurden gesungen, ein Gelegenheitsgedicht vorgetragen, und ein Dutzend Blumensträusse angeboten. Das Hauptgeschenk war eine prachtvoll gestickte Stola. Sie trägt die Inschrift: „Seiner Hochwürden dem Pfarrer Koch zum silbernen Priesterjubiläum, gewidmet von seinen Pfarrkindern.“ Diese Huldigung war wirklich ein sympathischer Herzenserguss der Liebe und der Verehrung.

 

 

Dritte Sympathiekundgebung.

 

Zur Dekorierung der Pfarrkirche spenden die Pfaarangehörigen dem Pfarrer Koch namhafte Geldsummen.

 

Infolge der schlechten finanziellen Situation der Kirchenfabrik von Lamadelaine und der durch die Kriegswirren hervorgerufenen Verteuerung alles Materials und Arbeiten waren die mit der Zeit notwendig gewordenen Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten im Innern des Gotteshauses auf bessere Zeiten verschoben worden. Auch hatte man die Neuanschaffung von Kirchenparamenten unterlassen. Um diesem Übelstande abzuhelfen, bat ich im Laufe des Jahres 1926 von der Kanzel die Pfarrangehörigen, mir Geld aus ihren Privatmitteln zur Verfügung zu stellen. Meine Bitte, die anfangs jedermann als gewagt erschien, fand über Erwarten freudiges und grossmütiges Entgegenkommen.

 

In kurzer Zeit wurde mir von den bessersituierten Dorfbewohnern die Summe von 2.200 Franken in das Pfarrhaus gebracht. Auf Betreiben der Kirchenratsmitglieder und besonders unseres Ortsschöffen Herr Joh. Peter Bosseler votierte auch noch der Gemeinderat von Petingen einen Spezialkredit von 1500 Franken.

 

Ich glaube, dieses edelmütige Entgegenkommen aller interessierten Faktoren ist wieder ein sprechender Beweis, für das Vertrauen, welches die rechtlich denkenden Bürger in Lamadelaine ihrem Pfarrer gegenüber im Herzen nährten.

 

 

Vierte Sympathiekundgebung.

 

Auch nach dem Revolverattentat geben die Dorfbewohner noch immer neue Beweise ihrer Anhänglichkeit.

 

Mit Recht hätte man erwarten können, dass, sobald meine Schwester tot war und ich im Spital in Petingen Unterkunft gefunden, das ganze Dorf sich von diesem Pfarrer, wenn er wirklich von der grössten Mehrheit nicht gerne gesehen war, abgewandt hätte.

 

Aber das Gegenteil war der Fall. Wenigstens 300-400 Personen kamen zu mir nach Petingen in das Spital, um mir ihr Beileid zu bekunden. Noch mehr! Nach dem Begräbnis meiner Schwester erboten sich schriftlich eine stattliche Anzahl von Familien und Einzelpersonen, die Ueberwachung des Pfarrhauses von Lamadelaine zu übernehmen. Während des Tages besorgen die einen das Haus und das Vieh, das noch dort weilt, in der Nacht schlafen dort mehrere Mannspersonen, damit nicht nach dem Mörder auch noch ein Dieb einschleiche, um alles zu stehlen, oder ein Übeltäter, um alles zu vernichten.

 

 

Fünfte Sympathiekundgebung.

 

Leumundszeugnis der Einwohner von Lamadelaine.

Anfänglich war ich nicht gesonnen, ein Leumundszeugnis der Einwohner von Lamadelaine zu erbitten. Nachträglich kam mir aber der Gedanke, die Verteidigung oder irgendein übelgesinnter Mensch könnte die Bemerkung machen: Von all seinen früheren Amtsstellen liegen Leumundszeugnisse vor, ausgenommen das von der letzten Pfarrei. Dieses aber wäre das wichtigste, weil eben dort der nächtliche Überfall stattfand. Aus diesem Grunde zirkulierte auch dort eine Einschreibeliste, welche nachstehend mit den verschiedenen Unterschriften wortwörtlich zur Abschrift gelangt:

 

Bescheinigung.

Die Unterzeichneten Einwohner von Lamadelaine bescheinigen in Bezug auf Herrn Koch, der vom Jahre 1923 bis zum Jahre 1927 hier als Pfarrer wirkte:

 

Herr Koch hatte eine grosse Liebe zu den Kindern; mit viel Geduld und Freundlichkeit wusste er ihre Erziehung zu bewerkstelligen; alle Schulkinder hingen an ihm mit ganzem Herzen. Im Umgange war er leutselig gegen jedermann, gegen arm und reich. Seine Seelsorgspflichten erfüllte er mit Treue und Pünktlichkeit und gab sich viele Mühe zur Ausschmückung der Pfarrkirche und einer würdigen Abhaltung des Gottesdienstes. Dank und Anerkennung gebühren ihm für die grossen Dienste, welche er jedermann, besonders aber der Arbeiterwelt, ohne Unterschied der Parteien, auf sozialem Gebiete leistete. Die Unterzeichneten wünschen dem sehr geehrten Herrn Pfarrer eine baldige Herstellung seiner Gesundheit, auf dass er noch viele Jahre unter ihnen wirken könne.

Lamadelaine, den 4. April 1927.

 

Hier folgen die Unterschriften:

Biver Jos., Biver Franken, Müller A., Frau Biver-Collé, A. Klein, Jos. Schmit, Max Wilmes-Ros, Biver-Noesen,  Nic. Marie Holles, J.P. Feyereisen, H. Marcy, Cath. Hochstrass, Lambert Dominik, Lambert-Thill, M. Bettendorf, Jos. Lambert, Regine Kraus, Lippert J.P., Josephine Gruber, Max Bosseler, Johann Barbara, Angela Grün, Kemp-Kayser, Kemp Sophie, Kemp Albertine, Maria Rischard, Michel Bauschleid, Lambert Franz, Jean Scheekja, Tockert Franz, M. A Tockert, Paulus Nic., Paulus Jos., Schrank Jos , Schrank H , Müller Josephine, Thiry-Libert, Moreo N., Angela Nic. Prüm, Weiland Anna,Krier Nic. , Marg.Kraus, Nath. Kraus, Klothilde Kraus, Berg Maria, Henri Kraus, Lucie Keiser, Anna Krier, Franz Keiser, Agnes Keiser, J. Rolles, Luise Krier, Henry Flesch, Cath. Probst, Nic. Bosseler, Morang Marg., Lin. Bosseler, Augustine Bosseler, Marg. Bosseler, Meutz, Cath. Faber, Steinmetz Jakob, Delberg Nicolas, Delberg Jos., Delberg Marie, Lambert Marie, Feimerskirch Marcelle, Deller Gh., Lösch R., Dellere Nicolas, Delere Charles, Dellere J , Nic. Reis, Clees, Mathias Schrank, Schrank Bernard, Alfons Blaschette, Marie Steichen, Henriette Steichen, Marg. Steichen, Martin Cito, Nic. Tibessart, Tibessart Ferdinand, Tibessart H., Tibessart Norbert, Risch Anton, Risch Jos., Risch Marcel, Reiland Anna, Guill. Silson, Cath. Rix, Pierre Rix, Sintges Henri, C. Goedert, S. Rollinger, Lucie Goedert,   Nic. Schrank, Jos. Schrank, Nicoletti Giovanni, Zigliatta Angela, Rasquin Alfons, Stefftiunsberg M., Rasquin Pierre, Rasquin J.P., Rasquin Emil, M. Jac. Schmit, Mad. Schmit, Familie Tockert, Schambourg Alfons Müller, Marie Gloden, Losch-Heiderscheid, Ketty Jean Schaeger, Philipp Bettel, Bettel Albert, Cath. Streveler, Angela Fernmacher, Vve Reuter, Marg. Reuter, Coel. Reuter, Therese Huberty, Am. Krier, Anna Krier, Crougks François, Cath. Mouschel, Theis J.P., Theis Hakob, Geverail M. Eich M., M. Thill, Zilveni A., Zilochi Triny, Reinert Müller, Reinert Albert, Nic. Rix, Lippert, Rix, stumpf, Everling, Anna Work, Cath. Raths, Helene Raths, Nicolas Raths, Frau Raths, Anna Bosseler, Marie Bosseler, Fanny Metzler, Nic. Metzler, Feyland Andre, Steffen Bernard, Theis Jacques, Ernens René, Gosselding Olga, Ghislaine Leonard, Marie Bindeler, Helene Raths, Stupf Anna, Scheerer Anna, Ernens Marie, Leonard Felix, Fark Ivonne, Steffen Marg., M. Penning, N. Flick, Bindels, Clerchen, Leonard François, Therese Meu Nic., Cleoph. Leonard, Mart. Leonard, Lambert-Emens, M. Ernens, Bosten, François Emens, Louis Ernens, Louis Meu Nic., Fred. Ries, Stupf Jean, Stumpf Jean Jos., Stupf Henriette, Bindels Pierre, Grund Leo, François Lambert, Pierre Steffen, Michel Thill, Jean Schmitz, Anna Rolles, Ch. Thill, Schartz Antoine, Schartz Angele, Lippert E , Lippert A., Lippert M., Lippert K., Marcel Bauschleid, August Bauschleid, Leo Nic. Bauschleid, Anna Bauschleid, Pauline Bauschleid, Henri Bauschleid, Michel Bauschleid, Emil Bauschleid, J.P. Bauschleid, Mme Marg. Linden, August Collard, Marie Collard, Claire Linden, Jeanne Linden, Cath. Linden, F. Schiltz, Larosche Angela, Hoscheit Suz., Agarand Jean, Firtz Anna, Julie de Pellegrini, Sintges J.P , Corneille Gress, Gress, Müller, Pierre Gress, Gress-Stull, Albert Gress .

 

 

Schlussbemerkung:

Hiermit will ich die Schilderung meines Verhältnisses zu den Einwohnern von Lamadelaine schliessen. Wenn ich gut gezählt, trägt das diesbezügliche Leumundszeugnis 222 Unterschriften und ungefähr 4/5 von allen Familien des Dorfes. Meinen treuen Pfarrkindem sei an dieser Stelle für ihre mehrmaligen Sympathiekundgebungen vor dem Attentate und ihr heroisches Festhalten nach dem Attentate mein verbindlichster Dank ausgesprochen. Ihr freundliches Entgegenkommen unter solch schwierigen Umständen beweist, dass dieser Gewährsmann des „Escher Tageblatt“, welcher behauptet, ich sei in Lamadelaine nicht gerne gesehen gewesen, die wahre Gesinnung dieser Leute nicht, richtig kannte oder ebenfalls nicht der Wahrheit entsprechend referierte.

 

 

Ad 3  Mein Verhältnis zu der Familie Hengen

 

Im „Escher Tageblatt“ vom 10. Februar 1927, n° 44, ist zu lesen: Der Pfarrer Koch stand nicht auf allzu gutem Fusse mit der Familie Hengen .

 

Ich frage: Was ist von dieser Meldung zu halten? Welches ist ihre Tragweite? Hat der Pfarrer Koch die Familie Hengen mutwilligerweise chikaniert und dransaliert? Oder hatte er als Geistlicher seine guten Gründe, etwas Zurückhaltung gegenüber diesem Hause zu beobachten? War überhaupt die Spannung zwischen dem Pfarrer und der Familie Hengen so hochgradig, wie sie jetzt nach der Bluttat aufgebauscht wird? Hier ist die Antwort auf alle vorhin gestellten Fragen:

 

Damit niemand mir den Vorwurf machen kann, ich hätte zum Zwecke meiner Beweisführung geheime Sachen an das Tageslicht befördert und auf diese Art die Privatehre der Mitglieder der Familie Hengen blossgestellt, will ich von vornherein erklären, dass ich zur Beleuchtung und  Fixierung meines Verhältnisses zu diesem Hause mich immer auf Tatsachen berufen werde, welche der Öffentlichkeit angehören und in Lamadelaine und Umgebung jedermann bekannt sind.

 

a) in religiöser Hinsicht.

Dass ich in religiöser Hinsicht manchen Vorbehalt machen musste, beweist folgender Vorfall. Im Jahre 1924 errichtete die Familie Hengen neben ihrem früheren Wirtshause einen geräumigen Neubau. Es geschah nun, dass am Fronleichnamssonntage während der Zeit, wo im Dorfe die Fronleichnamsprozession stattfand, mit Axt, Säge und vielem Gehämmer an diesem Gebäude gearbeitet wurde. Weil ich in diesem Momente noch glaubte, die Hengen seien eine katholische Familie, liess ich sie vor dem Hochamte höflich bitten, man solle wegen des hohen Festtages und des öffentlichen Ärgernisses die Arbeiten einstellen.

 

Aber ich erhielt als Bescheid: „Was kümmert uns dieser Festtag? Die Hauptsache ist, dass der Tanzsaal für die Lamadelainerkirmes fertig ist, sonst haben wir zuviel Verlust.“

 

 

b ) in moralischer Hinsicht.

In dieser Hinsicht lagen die Verhältnisse nicht besser  Fräulein Josephine Schrank, eine Nachbarin vom Hause Hengen, gebahr im Jahre 1924 ein Kind.

 

Sie beschuldigte Josef Hengen der Vaterschaft. Als er sie nicht heiraten wollte, verlangte sie von ihm wenigstens eine Unterstützung zum Unterhalte des Kindes. Da auch diese Subvention verweigert wurde, wandte sich die Mutter an die Staatsanwaltschaft um Schutz und Hilfe.

Diese zitierte Josef Hengen vor das Gericht. Momentan ist die Sache noch anhängig. Der Ausgang mag fallen wie er will. In den Augen des Publikums war Josef Hengen durch die Vorladung der Staatsanwaltschaft in moralischer Einsicht kompromettiert. Denn hätten keine probablen Beweisgründe Vorgelegen, so wäre der Armenschein nicht gewährt und die Klage ex officio nicht gestellt worden.

 

In der Wirtschaft Hengen verweilte immer während der Zeit, wo ich Pfarrer in Lamadelaine war, eine Magd, Josephine Linden. Josephine Schrank ist aus dem zweiten, Josephine Linden aus dem ersten Hause neben Hengen.

 

Diese Josephine Linden hat in der Zeit in dem Hause Hengen ein Kind geboren, das dem inhaftierten Emil Hengen stark ähnelt. Dieser unehliche Junge mit dem Namen Emil Linden zählt etwa 16 Jahre.

 

Vor der Geburt und seit der Geburt verweilt dessen Mutter beständig im Hause Hengen. Sie und der Sohn werden beständig dort gekleidet und ernährt. Welchen Einflüssen diese Situation zuzuschreiben ist, weiss oder ahnt hier im Dorfe jedermann.

 

Weil ich als Seelsorger zu dieser eigentümlichen Situation meinen Vorbehalt machen musste, sah ich mich mancherlei Kritiken ausgesetzt.

 

Als in den letzten Jahren das Haus vergrössert und der Wirtshausbetrieb erweitert wurde, wurde ein Mädchen aus dem Dorfe, das in Paris weilte, in der Wirtschaft Hengen engagiert. Am 25.  November 1926 heiratete dieses Mädchen einen erst vor einigen Wochen nach Lamadelaine zugezogenen Bäcker. Die Familie Hengen war wegen dieser Heirat sehr erfreut und gab bei dieser Gelegenheit ein splendides Hochzeitessen.

 

Doch am 22. Februar 1926, also kaum nach dreimonatlicher Heirat und genau 14 Tage nach dem Revolverattentate, lässt die junge Frau ein Kind das Licht der Welt erblicken. Der Ehemann ist ob dieser Tatsache wie ausser sich vor Ärger. Sowohl seine Familie als er selbst machen in Lamadelaine und Umgegend viel Radau und Lärm. Niemand will sich hervortun, um die Vaterschaft des Kindes zu übernehmen, und niemand bereitet ihm am Tage der Kindtaufe ein Kindtaufessen. Um an allen Schwierigkeiten vorbeizukommen, wird das Gerücht in Umlauf gesetzt, die betreffende Person habe schon von Paris den Keim dieser Geburt mitgebracht.

 

Ich will jetzt hier die Frage nicht untersuchen, wer die Vaterschaft bei diesem Kinde zu übernehmen hätte; mir genügt es, hier hervorzuheben, dass wieder eine Frauensperson, welche mehrere Monate im Hause Hengen bei Tag und Nacht verweilte, unter diesem umständen ein Kind gebar. Und ich schlussfolgere: "In meiner Eigenschaft als Seelsorger musste ich ob all dieser Tatsachen in meinen Beziehungen zum Hause Hengen mir die ausdrücklichste Reserve auferlegen."

 

Ich beschränkte daher meine Relationen mit der Familie Hengen auf das Mindestmass.

 

An die vorhergehenden Ausführungen mit der Schlussbemerkung, dass ich meine Relationen mit der Familie Hengen auf das Mindestmass beschränkte, knüpft sich naturgemäss die andere Frage:

 

War zwischen der Familie Hengen und dem Pfarrer Koch offener Streit? Fanden öfters Auseinandersetzungen statt? War überhaupt die Spannung so hochgradig, wie dies jetzt zur Entschuldigung des Emil Hengen aufgebauscht wird?

 

 

Hier ist die Antwort:

Im Hause Hengen waren zweierlei Strömungen. Die einen hetzten und schlugen los gegen den Pfarrer und alles, was in der Kirche gesagt wurde, die anderen bedauerten diese Scharfmacherei und mahnten zur Ruhe. Aus purer Schwachheit wagten sie aber keinen energischen Protest.

 

Da ich aus höheren Motiven und als Ortspfarrer mit Letzteren keine Szene haben wollte, ertrug ich all diese Quertreibereien mit Stillschweigen und Geduld. Auf diese Weise kam es niemals zwischen uns zu Auseinandersetzungen und zu offenem Bruch.

 

Die Aufzählung der nachstehend allbekannten Tatsachen ist ein genügender Beweis für die Wahrheit des Vorhergesagten:

1) Bei Bezahlung des Hühnerparkes im Pfarrgarten zeichnete auch die Familie Hengen 30 Franken

2) Von meiner Romreise brachte ich 1925 für a) die Familie Hengen und b) speziell für den Organisten Leo Hengen ein Bild des päpstlichen Sterbeablasses mit

3) Bei dem monatlichen Kirchhofbesuch empfahl ich mit ändern Mitgliedern extra die Verstorbenen der Familie Hengen dem Gebete der Anteilnehmer

4) Noch zu Beginn des Jahres 1927 liess ich in dem Hause Hengen das Vereinsgeld vom Sankt Franziskusxaveriusverein aufheben und man zahlte es anstandlos.

5) Meine Schwester und ich gingen oft in das Haus Hengen auf das Telephon und wir haben niemals einen Wortwechsel gehabt.

 

Schlussbemerkung: Jedermann wird infolge dieser Erörterungen zugeben, dass, wenn ich als Pfarrer meine guten Gründe hatte, meine Relationen mit diesen Leuten auf ein Mindestmass zu beschränken, doch unser Verhältnis sich in normalen Grenzen bewegte. Die obwaltende Spannung war niemals so hochgradig und feindlich, dass sich infolge derselben das Revolverattentat erklären, rechtfertigen und motivieren lässt.

 

 

Der Familie Hengen fälschliche Anklagen gegen mich.

 

Erste Anklage

Im "„Escher Tageblatt“, n° 44, 10. Februar 1927“, ist vermerkt: "Man spricht von der Nennung des Namens Hengen vom Predigtstuhl herab. Der Berichterstatter dieser Zeitung behauptet, seine Angaben rühren her von wirklich vertrauenswerter Quelle. Meinerseits sehe ich mich aber gezwungen, diesem Gewährsmann entgegen zu halten, er habe sich bei dieser Angabe wieder eine unerlaubte Entstellung der Wahrheit zu Schulden kommen lassen. Denn während der ganzen Zeit, wo ich Pfarrer in Lamadelaine war, habe ich niemals über die Familie Hengen eine abfällige Bemerkung von der Kanzel gemacht.

 

Diese Sensationsmeldung von Predigtbeleidigung wurde auch schon in den Wirtshäusern und Eisenbahnzügen herumkolportiert. Weil ich dieser Sache eine gewisse Bedeutung beimass, wandte ich mich an die Einwohner von Lamadelaine welche gewöhnlich dem Gottesdienste in der Pfarrkirche beiwohnten und erbat mir eine schriftliche Kundgebung inbetreff dieses Punktes. Nachstehend folgt nun dieses schriftliche Certifikat mit den verschiedenen Namensunterschriften. Es ist dies der beste  und sicherste Protest gegen diese böswillige Falschmeldung von einer angeblich unbefugten Nennung des Namens Hengen vom Predigtstuhl.

 

Erklärung:

Die Unterzeichneten bescheinigen andurch, dass der Pfarrer Johann Koch während der ganzen Zeit, wo er Pastor in Lamadelaine war, von der Kanzel niemals weder direkt noch indirekt den Namen der Familie Hengen noch denjenigen eines ihrer Mitglieder tadelnd erwähnte. Wenn solche Äusserungen von der Kanzel gefallen wären, hätten sie es hören müssen, da sie gewöhnlich dem Gottesdienst  und der Predigt in der Pfarrkirche beiwohnten. Hier folgen die Unterschriften, alle eigenhändig gezeichnet:

 

Biver Jos , Lippert J.P , Müller Anton, Jos Schmit, Marg Wilmes, Elise Biver, N. Elver, Rosalie Biver, Josephine Gruber, Peter Tockert, Jos Tockert, Charles Tockert, Julien Tockert, Cécile Tockert, Nicolas Metzler, Fany Metzler, Gress Corneille, Marie Müller, Nicolas Tibessart, Marg Steichen, Marie Steichen, Blaschette Anton, P. Elver, Henriette Steichen, Jos Lambert, Bettendorf Michel, Regine Lambert, Barb Lambert, Schiltz Nicolas, Lambert Cath., Lambert Dominique, J.P. Feyereisen, Helene Marcy, Cath. Lambert, Thill, Gress-Stull, Franz Lambert, Gress Albert, François Tockert, Vve Reuter, Marie Tockert, François Kneip, Philomene Weis, P. Biver, Eugene Decker, P. Welkez, N. Fossing, Delbez Nicolas, Delbez Marie, J Schaeger, Ketty Schaeger, Plesch Henry, Cath. Probst, Paulus Nic., Peffer Marie, J. Thiry, Amélie Krier, Therese Huberty, Weiland Anna, Marie Anne Thiry, Libert, Schrank, Hermann, Schrank Emard, Schedja Jean, Schrank Josephine, A. Müller, Marie Gloden, Anna Krier, Marie Holles, Holles J., Luise Krier, Agnes Heiser, Rolles Jean, Raths-Calteux, Clara Thill, Léontine Lenoir, Cath. Lenoir, Kraus-Berg, Kraus Cath., Berg Marie, Jean Agarand, Dellere Charles, Andre Jos., Arthur Prott, Anna Wirtz, Ant. Prott, Lea Prott, Mad. Prott, Hardenne, Vve Delleré, Lösch Charlotte, Kayser, Soph. Kemp, Marg. Thill, Marie Bosseler, Marg. Bosseler, Risch Josef, Andre Jean, Anna Weisgerber, Pukallus, Steimetz Jac., Cath. Faber, Wiscourt Peter, Paris, Bodson, Fournelle, Menster, Marianne Tockert.

 

Wenn ich gut gezählt, sind es 104 Unterschriften. Diese Bittschrift wurde aber nur im oberen Teil des Dorfes passiert. Ich glaube, diese 100 Zeugen genügen. Sollte aber noch jemand Zweifel hegen, so werden noch mehr Unterschriften zur Verfügung gestellt. Der Ingenieur Adolf Fischer und Madame Fischer, geborene Irene Knepper, erklärten mir gelegentlich mündlich, sie wären jeden Sonntag in Lamadelaine in der Messe gewesen und hätten der Predigt beigewohnt. Er sei bereit, mir jeden Augenblick zu bezeugen, dass ich niemals den Namen der Familie Hengen tadelnd von der Kanzel erwähnt. In obigem Verzeichnis befinden sich die Namen: Bodson, Fournelle, Menster. Das sind die drei Lehrpersonen. Wegen ihres Standes und  ihrer Vorbildung wäre es ihnen sicherlich aufgefallen  und im Gedächtnis haften geblieben, wenn ich solch beleidigende Ausdrücke von der Kanzel gebraucht hätte. Den Anlass zu dieser Predigtstuhlbeleidigung der Familie Hengen bot folgende von mir gemachte Äusserung:

 

Bei der Jahreswende 1925/26 erklärte ich inbetreff der moralisch-sittlichen Zustände in der Pfarrei: "Ich ermahne jeden, dass er auch in moralischer Hinsicht seine Pflicht erfüllt.

 

Es ist und bleibt Pflicht eines jungen Menschen, der ein Mädchen verführt  und ihm die Ehe versprochen, es auch später zu heiraten. Durch diese vaterlosen Kinder wird unser Armenbureau mit so grossen Ausgaben belastet, dass sie fast nicht mehr auskommen können. Auch wird unser Taufbuch mit Einschreibungen versehen, die nicht notwendig wären, wenn jeder seine Pflicht erfüllte. Ich hoffe deshalb, dass es im kommenden Jahre und in der Zukunft in diesem Punkte besser geht." Diese Bemerkung war sicher allgemein gehalten und bezog sich nicht mehr auf die Familie Hengen als auf die anderen Insassen der Pfarrei.

 

In dem Augenblick gab es nämlich in Lamadelaine vier Fälle unehelicher Geburten, die sämtlich das Armenbüro in Anspruch nahmen. Der oben erwähnte Ingenieur Adolf Fischer erklärte mir übrigens persönlich:

 

"Ich war in dieser Predigt und habe die Äusserung gehört, ich fühlte mich aber nicht beleidigt und getroffen, weil ich mich in dieser Hinsicht nicht im Fehler wusste."

 

Die Gebrüder Hengen aber waren erbost und behaupteten, diese Bemerkung sei für sie persönlich gemünzt. Durch eine Radauscene, welche sie schon während der Predigt in der Kirche machten, verbreitete sich nach und nach in Lamadelaine und der Umgegend das Gerücht, ich hätte den Namen Hengen von der Kanzel genannt. Aber tatsächlich war dies nicht der Fall. Wenn sie das Bewusstsein hatten, es sei ihnen Unrecht geschehen, so stand ihnen immer der Weg zum Gerichte offen.

 

Aber jedenfalls hatte Emil Hengen kein Recht, mit dem Revolver auf meine Schwester und mich wegen dieser angeblichen Predigtstuhlbeleidigung zu schiessen. In seinem letzten Fastenhirtenschreiben hat der hochwürdige Herr Bischof inbezug auf die Moral und die Verhältnisse in der Ehe noch ärgere Sätze von der Kanzel verlesen lassen müssen, als ich jemals in Lamadelaine sagte. Bis dato hat aber noch niemals mit dem Revolver in der Tasche in den bischöflichen Palais Einlass begehrt, um ihn meuchlings zu erschiessen.

 

Zweite Anklage:

Die Familie Hengen behauptet, ich hätte mich um Prozesse gegen sie gekümmert. Soviel ich weiss, hatte die Familie Hengen in der Zeit, wo ich Pfarrer in Lamadelaine war, zwei Prozesssachen:

 

1. Josef Hengen hat einen Prozess mit der Familie Josephine Schrank wegen der Vaterschaft eines Kindes.

 

2. Die Witwe Hengen hatte einen Prozess mit der Familie Feiereysen-Marcy wegen der Durchfahrt über ein Grundstück. Das „Escher Tageblatt“ berichtet nichts von diesen Prozessachen. Privathin würde aber sehr oft von den Mitgliedern der Familie Hengen behauptet und zwar mit böswilligen Bemerkungen an meine Adresse, ich sei der Ratgeber der klagenden Parteien. Um auch inbetreff dieser Anfeindung den Beweis meine Loyalität beständig zur Verfügung zu haben, wandte ich mich an die interessierten Faktoren, wo ich meine Einmischung hätte geltend machen können und erbat mir ehrenwörtliche Leumundszeugnisse. Nachstehend folgt der Text dieser Certifikate:

 

1) Bescheinigung von Sophie Josephine Schrank.

Die Unterzeichnete, Sophie Josephine Schrank aus Lamadelaine, bescheinigt andurch, dass der Pfarrer Johann Koch sich  niemals um den Prozess, welchen sie gegen Josef Hengen aus Lamadelaine wegen der Vaterschaft ihres am 22. Novembre 1924 geborenen Kindes anstrengte, kümmerte. Er hat ihr weder vor noch nach der Anstrengung dieser Gerichtssache zu ihren Gunsten oder zu ungunsten von Hengen irgendeinen Rat gegeben. Im Gegenteil, als sie einmal mit ihm von dieser Sache sprechen wollte, erklärte der Pfarrer:

"Es tut mir leid, Ihnen bemerken zu müssen, dass ich in dieser Sache nicht zu Diensten sein kann. Das ist eine Privatsache, ich helfe zwar mal den Leuten in Unfallangelegenheiten, aber ich will mich aus Prinzip nicht um Privatprozesse kümmern."

Schrank Josephine. Den 23. März 1927.

 

2) Bescheinigung des Advokaten Armand Kayser.

Dieser Advokat ist vom Gericht bestellt als Anwalt in der Sache Schrank contra Hengen. Er schreibt: Monsieur l'abbé Koch, curé, Lamadelaine. Comme suite notre entretien de ce jour, je vous confirme volontiers qu'avant cette date je ne vous ai jamais parlé et que je n'ai jamais reçu un écrit de votre part au sujet de l’affaire Schrank c/ Hengen, si ce n'est un certiflcat de bonne vie et de moeurs délivré à Mademoiselle Schrank et que celle-ci m'a remis directement.

Agréez, Monsieur l'abbé, l'expression de mes sentiments distingués. (s.)

Armand Kayser.

3) Zeugnis Feiereysen-Marcy.

Unterzeichneter J.P. Feiereysen-Marcy und dessen Ehefrau Helene Marcy bescheinigen hiermit dem hochwürdigen Herrn J. Koch, dass er sich in ihrer Prozessache gegen Hengen weder durch Rat noch durch Tat gekümmert hat.

J.P. Feiereysen, Helene Marcy.

Rollingen, den 4. März 1927.

Schlussbemerkung: Die Auffassung der Familie Hengen, ich hätte in diesen Prozessen gegen sie gearbeitet, ist also weiter nichts als ein phantastisches Luftgebilde und eine neue Gelegenheit, mich ungerechtfertigter Weise zu verdächtigen.

 

 

Dritte Anklage.

Ich hätte Emil Hengen in der Kirche Ohrfeigen gegeben.

Diese Anklage figuriert wieder im Berichte des „Escher Tageblatt“, n° 44, 10. Februar. Ich antworte:

1) ich habe Hengen Emil niemals eine Ohrfeige gegeben weder in der Kirche noch auf der Strasse, noch im Pfarrhaus.

2) um ihm eine Ohrfeige in der Kirche geben zu können, hätte er zuerst in der Kirche sein müssen. Leider war dies in den letzten Jahren nicht der Fall, wenigstens habe ich ihn nicht gesehen.

3) Hengen Emil dementierte persönlich dieses Gerede. Bei Gelegenheit der Untersuchungs-konfrontation  am 9. Februar im Hospitale in Petingen stellte ich ihm in Gegenwart des Unter-suchungsrichters, des Substitutes der Staatsanwaltschaft und des Gerichtsschreibers die Frage:

 

Emil, habe ich dir jemals etwas getan? Habe ich dir überhaupt jemals eine Bemerkung gemacht? Und Emil antwortete:

„Nein, mit mir hatten Sie nie etwas. Sie hatten mal Diskussionen mit meinen Brüdern, aber mit mir hatten Sie gar nichts."

 

Hieraus ergibt sich, dass dieses Gericht von den ausgeteilten Ohrfeigen in oder ausserhalb der Kirche einfach eine Erfindung müssiger und böswilliger Köpfe ist.

 

Vierte Anklage:

Ich hätte den von  Teophil Hengen dirigierten Gesangverein nicht genügend berücksichtigt.

 

In Lamadelaine bestehen zwei Gesangvereine:

a) der Kirchengesangverein und

b) der weltliche Gesangverein mit dem Titel „societé chorale".

Im „Escher Tageblatt“ wird dieser letztere "Cäcilienverein“ genannt. Ich hatte den Kirchenge- sangverein gegründet und leitete auch dessen Versammlungen. Die Neugründung hatte ich unternommen, nicht aus Antipathie gegen die „Société chorale“, sondern weil ich für die Verschönerung des Gottesdienstes eine auserlesene Schar Sänger zur Verfügung haben musste. Ich wäre gerne einverstanden gewesen, dass beide Gesangvereine sich miteinander verbunden oder dass wenigstens die besseren Sänger der „Société chorale“ mit uns in der Kirche gesungen hätten. Aber dieses Zusammenarbeiten der beiden Gesellschaften scheiterte an der Hartnäckigkeit des Dirigenten Hengen Teophil. Zuerst kam er noch in die Proben in den Kirchengesangverein. Nach und nach aber blieb er weg von uns und mit ihm sein Anhang. Er selbst hat einmal eingestanden, er wäre von uns fortgegangen, weil bei dem Kirchengesang er nicht allein Herr und Meister war. Er behauptete nämlich, nicht der Pfarrer, sondern er allein hätte zu bestimmen, wen er mit auf die Empore nehme und welche Gesangstücke vorgetragen würden. Ausserdem hätten jedesmal, wenn er mit seinen Sängern auf der Empore auftreten sollte, die Privatstühle, welche auf der Empore standen und die für teures Geld gepachtet waren, entfernt werden müssen.

 

Auf diese Art hätte ich mit den Anpächtern dieser Stühle Schwierigkeiten bekommen. So kam es, dass ich nicht gerne der „Société chorale“ die Erlaubnis erteilte, auf der Empore zu singen. Denn gewöhnlich gingen wenigstens 3/4 der Mitglieder dieses Vereins Sonntags nicht in die Kirche. Dann hätten gerade an den höchsten Festtagen die Pächter der Stühle von der Empore herabbleiben müssen und die Mitglieder des Kirchengesangvereins hätten sich geärgert, dass sie, die das ganze Jahr sangen, an diesen Tagen auf die Seite gesetzt würden. Um aber der "Société chorale" zu beweisen, dass ich sie nicht mutwilligerweise ausschalte, hatte ich im Jahre 1925 bei Gelegenheit der Oktave in Luxemburg persönlich und formell diese Gesanggesellschaft eingeladen, mit nach Luxemburg zu gehen, um dort in der Kathedrale für die Pilger aus der Gemeinde Petingen die Wallfahrtsmesse zu singen. Nach mehrfacher Diskussion und Beratung im Versammlungslokal gab man mir zur Antwort, die "Société chorale" gehe nicht mit nach Luxemburg, die Majorität der Mitglieder sei dagegen. Auch in unseren beiden Prozessionen am Fronleichnamstag  und am Feste Maria Himmelfahrt gingen sie nicht mit. Dann brannte die Sonne zu heiss. Wenn eines von ihren Mitgliedern oder Ehrenmitgliedern begraben wurde, gingen sie entweder in corpore oder durch Delegation mit auf den Kirchhof. Nach dem Begräbnis sangen sie gewöhnlich auf dem Kirchhof ein Trauerlied für den Verstorbenen. Sowohl die andern Geistlichen als auch ich blieben jedesmal bei dem Grabe ruhig stehen, bis dieses Chorlied fertig war.

 

Unser Verhältnis bewegte sich in normalen Bahnen bis zu dem Augenblick, wo bei der Jahreswende von 1925-1926 die „Société chorale" den Grubenarbeiter Franz Schmit zu seinem Präsidenten wählte. In der Allerseelenprozession hatte mir dieser Grubenarbeiter unterwegs eine furchtbare Scene bereitet. Ich musste also nun auf die schlimmste Scharfmacherei gefasst sein. Und wirklich! Im Monat Januar erhielt ich von dem Vorstande der "Société chorale" einen eingeschriebenen Brief mit nachstehendem Inhalte:

Ich hätte

1) öffentlich

2) Angriffe gegen sie gemacht, welche

3) einfachhin Hetzereien seien. Dann folgte die Drohung, es sei in meinem Interesse und im Interesse der Religion, diese Hetzereien unterbleiben zu lassen. Dieser Brief war eigenhändig unterschrieben von allen Vorstandsmitgliedern: Schmit Franz, Schmit Nicolas, Hengen Theophil, Hengen Gustav, Wanderscheid Jean, Wark und ein paar anderen deren Namen ich mich momentan nicht erinnere.

 

Auf dieses Schreiben sandte ich eine rekommandierte Antwort mit der Aufforderung, diese Herren sollten mir bestimmte Tatsachen angeben, wann ich öffentlich Angriffe gegen sie gemacht, welche einfachhin als Hetzereien anzusehen seien. Man wartete vierzehn Tage, da man mir aber keinen einzigen Fall zitieren konnte, wo ich obige mir imputierte Delikte mir zu Schulden kommen liess, begnügte man sich mit der Meldung, ich sollte mein Gewissen erforschen und dann würde ich meine Fehler von selbst finden.

 

Diese drei Briefe stellte ich dem Herrn Staatsanwalt Mauritius zur Verfügung mit der Bitte, man solle mich gegen diese Drohbriefe in Schutz nehmen. Der mit der Untersuchung beauftragte Gendarm, Herr Kayser, sagte mir eines Tages: "Die Unterzeichner der Briefe haben widerrufen und lassen Sie fürderhin in Ruhe "

 

Persönlich gab ich mich mit dieser Versicherung zufrieden, aber die Zukunft sollte beweisen, dass diese Äusserung sehr wenig ernst gemeint war. Bei Gelegenheit des bald hierauf am 23. Januar folgenden Geburtstages der Grossherzogin erzählte der Präsident Franz Schmit im Eisenbahnzuge die Mitglieder der "Société chorale" hätten die Absicht, mich des Sonntages, wenn sie zur Grossherzoginsgeburtstagfeier in corpore in die Kirche kämen, mich, wenn ich zum Weihwasserausteilen unten in der Kirche wäre, zu umzingeln und in den Kirchenparamenten vor die Tür zu schleppen. Diese Scandalscene wurde damals dadurch vereitelt, dass ich, vorher gewarnt, nicht bis in den Turm ging das Weihwasser auswerfen.

 

Aber diese niedrige und wahrhaft böswillige Gesinnung mahnte mich zur Vorsicht. Sie wurde mir Anlass zu bestimmen, dass, um jeden Zusammenstoss zu vermeiden, fürderhin bei den Begräbnissen die Geistlichen vor dem Totenwagen, die Mitglieder der "Société chorale" hinter demselben Aufstellung nehmen sollten. Wegen dieser Verfügung beklagte sich Hengen Leo, der Bruder des Dirigenten, bei dem hochwürdige Herrn Bischof. Nachdem ich dem Herrn Bischof meine Erklärungen abgegeben mit den mich zu dieser Handlungsweise bestimmenden Beweggründen, erklärte der hochwürdige Herr: "Inbetreff der Aufstellung des Gesanges bei Begräbnissen können Sie machen, wie Sie wollen; ich kümmere mich nicht mehr um diese Sache."

 

Trotz dieses Zugeständnisses, gemäss welchem ich ja den Gesang hinter den Totenwagen hatte können verweisen, liess ich ihn an der gewöhnlichen Stelle im Leichenzuge einherschreiten. Aus dieser Schilderung ergibt sich, dass ich die „Sociéte chorale" nicht mutwilligerweise chikanierte, sondern ihr im Gegenteil viel Entgegenkommen bewies. Trotzdem hetzten ihre Mitglieder beständig gegen den Kirchengesangverein und mich, und es gilt hier der Satz:

 

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

 

 

Fünfte Anklage:

Ich hätte Leo Hengen, den Organisten, von der Orgel vertrieben.

 

Leo Hengen war früher Normalschüler. Wegen seines schlechten Betragens war er aus dieser Anstalt entlassen worden. Weil er aber als Lehreraspirant das Orgelspielen gelernt, war er in Lamadelaine der vom Kirchenrate angestellte Organist bis zum 1. Januar 1926.

 

In der Sitzung vom 1. Januar 1924 war bestimmt worden, er erhalte für Orgelbegleitung an Sonn-  und Festtagen in der Messe, Vesper, Abendandacht, am Beettag, Allerseelentag, Barbaratag  und ähnlichen Feierlichkeiten in der Woche die Summe von 600 Franken.

 

Trotzdem Leo Hengen die übernommenen Verpflichtungen genau kannte, hat er es oft unterlassen, denselben nachzukommen. Ohne sich vorher abzumelden, blieb er oft entweder einen ganzen Sonntag oder in der Vesper oder in der Andacht von der Orgel weg.

 

Auf diese Art wurde jedesmal eine gewisse Störung beim Gottesdienste hervorgerufen. Angesichts dieser Sachlage fasste der Kirchenrat am 1. Januar 1925 einstimmig folgenden Beschluss:

 

1) Der Organist hat jedesmal, wo er nicht zugegen sein kann, vorher den Pfarrer davon in Kenntnis zu

    setzen.

2) für den Fall, wo er dies unterlässt, soll ihm von den obenerwähnten 600 Franken für Abwesenheit

    a) bei einer Messe 10

    b) für Vesper 7,50 Franken und

    c) für Andacht 5 Franken abgerechnet werden.

 

3) wenn bei andern Gottesdiensten, z.B. Begräbnis, Hochzeit usw., Orgelbegleitung gewünscht wird, so ist die Bestellung bei dem Herrn Pfarrer zu machen. Dieser benachrichtigt den Organisten. Wofern dieser verhindert ist, kann auch ein anderer Organist zur Aushilfe herangezogen werden. Als Honorartaxe für eine solche Gelegenheit wird fixiert 15 Franken.

 

Während des Jahres 1925 blieb Hengen Leo noch Organist. Er fehlte, ohne sich abzumelden, des Sonntags in der Messe mehrmals, in der Vesper ziemlich oft, und in der Andacht fast immer. Am Schlusse des Kirchenjahres ging er zu dem Kirchenpräsidenten, Herrn Joh. Peter Tockert, und gab seine Demission als Organist. Diese Entlassung wurde von dem Kirchenrat einstimmig angenommen, und ich wurde schriftlich von diesen Herren beauftragt, einen ändern Organisten zu suchen.

 

Aus diesen Verhandlungen ergibt sich, dass

1) nicht ich allein, sondern der ganze Kirchenrat mit dem Benehmen des Leo Hengen unzufrieden war und dass

2) ich ihn nicht fortgeschickt, sondern er eigenmächtig seine Demission gegeben. Sowohl der Kirchenrat als auch ich haben in dieser Sache weiter nichts getan, als des Hengen Leo Willen erfüllen und dessen Demission annehmen. Ich frage mich, wie kommt man nun dazu, mir nachzusagen, ich hätte Hengen Leo von der Orgel vertrieben.? Anstatt mich zu verläumden, sollte er mir dankbar sein. Denn trotzdem er im Jahre 1925 so oft gefehlt, habe ich ihm, nachdem er seine Demission gegeben, sein Jahresgehalt, nämlich die versprochenen 600 Franken, ohne Abzug ausbezahlt. Im Dossier der Kirchenfabrik befindet sich noch jetzt die diesbezügliche Quittung mit seiner eigenhändigen Unterschrift.

 

Dass dieser Hengen Leo, der frühere Normalschüler und Organist, ein sehr kühner und wenig rücksichtsvoller Mensch ist, beweist folgender Vorfall: Am letzten Ostermontag erlaubte er sich während der Zeit, wo der Geistliche, Herr Adehm aus Rodingen, in Lamadelaine Messe hielt, in die Kirche zu kommen, und ohne Erlaubnis weder des Kirchenrates noch des Pfarrverwalters oder des Pfarrers spielte er, der Bruder des Mörders Emil Hengen, in Lamadelaine die Orgel. Ich glaube, ein solches Benehmen beweist zur Genüge, wessen Geisteskind er ist.